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Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie durch Finanzinvestoren?

Winfried Braumann

Mehr Energieeinsparungsmaßnahmen in der Industrie sind für die Erreichung der Klima- und Energieziele 2030 national und weltweit unverzichtbar.

Ein Drittel des gesamten Endenergieeinsatzes fließt in die Industrie, und derzeit werden 75 % des Energiebedarfs durch fossile Energieträger gedeckt. 44 % der Treibhausgasemissionen stammen aus dem Sektor Energie und Industrie.

Foto: iStock

Doch Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie sind nicht nur klimapolitisch unverzichtbar, sie beinhalten auch ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Einer Einsparung von 8 – 10 % des Endergieverbrauches der Industrie in Europa entsprechen Energiekosten von 11 440 Mio. EUR/a (286 TWh/a bei einem Energiepreis von 40 EUR/MWh). Bei einem Amortisationszeitraum von etwa drei Jahren könnten mit diesen Einsparungen Investitionen von mehr als 30 Mrd. EUR finanziert werden!

Industrieunternehmen planen und finanzieren Energieeffizienzmaßnahmen üblicherweise im Rahmen ihrer jährlichen Budgets für die Instandhaltung und Verbesserung ihrer Produktionsanlagen und verlangen dabei im Regelfall relativ kurze Amortisationszeiten von zwei bis drei Jahren. Die Kalkulation von kurzen Amortisationszeiten wird nicht als Investitionsrechnung angestellt, sondern ist in erster Linie eine risikopolitische interne Vorgabe. Die adäquate Methode einer Investitionsrechnung läge in der Ermittlung des „Discounted Cash Flow“ für die Energieeinsparungsmaßnahme so wie bei jeder Ersatzinvestition in einem Industriebetrieb. Gerade bei Energieeffizienzmaßnahmen fällt immer wieder auf, dass Investitionen, die attraktive positive Barwerte über die Lebensdauer aufweisen (also relativ hohe Projektrenditen), wegen der kurzen Amortisationszeiten, die gefordert sind, nicht durchgeführt werden.

Finanziert werden solche Investitionen, wie Investitionen generell, aus dem Cash Flow, der vom Unternehmen erwirtschaftet wird (Innenfinanzierung) oder aber aus Kreditmitteln oder Eigenmitteln, die dem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden (Außenfinanzierung).

Wenn nun ein Industrieunternehmen selber weder den eigenen Cash Flow zur Finanzierung heranziehen will oder auch keine weiteren Bankmittel aufnehmen will, könnte dann nicht ein Finanzinvestor, der derzeit bei Veranlagungen ohnedies nur mit Schwierigkeiten eine adäquate Verzinsung seines Kapitals erzielen kann, gewonnen werden, solche Projekte anstelle des Industrieunternehmens zu finanzieren? Und bietet nicht die „selbstamortisierende“ Struktur von Energieeinsparungsinvestitionen eine ideale Grundlage für solche Finanzierungskonstruktionen?

Der Grundgedanke lässt sich einfach veranschaulichen:

Abbildung: Finanzierung von Effizienzprojekten durch laufende Einsparungen: Die Investition wird zu Beginn durch die Einsparungen finanziert, auf Dauer profitiert das Unternehmen von niedrigen Energiekosten.

Wenn ohne Einsparungsmaßnahmen („Baseline“ im Bild) Energiekosten von 100 % anfallen, und nach Durchführung der Energieeinsparungsinvestition nur mehr 70 %, dann könnten die eingesparten Energiekosten von 30 % zur „Abzahlung“ der Energieeinsparungsinvestition herangezogen werden, und das Industrieunternehmen profitiert nach deren Abzahlung auf Dauer von den niedrigeren Energiekosten. Nach diesem Prinzip werden Energieeinsparungsverträge („Energy Performance Contracts“) abgeschlossen, bei denen der Lieferant der Investitionsgegenstände dem Kunden anbietet, dass dieser Zahlungen nur dann und insoweit an ihn leisten muss, als tatsächlich Energieeinsparungen nachgewiesen werden.

Der Abschluss solcher Verträge ist allerdings weder technisch noch rechtlich einfach, weil die produktionstechnischen Bedingungen der „Baseline“ (also des Energieverbrauches vor Durchführung der Einsparungsinvestition) genau definiert und während der Vertragsdauer laufend überwacht und und gemessen werden müssen, um die tatsächlichen Einsparungen zu ermitteln, und weil der Anbieter der Einsparungsinvestition das Risiko von produktionsschwankungsbedingten Energieverbrauchsänderungen ausschließen muss. Außerdem trägt der Lieferant während der Vertragsdauer das Kreditrisiko seines Kunden, weil die Rückführung seines Investments von der langfristigen Bonitätsentwicklung des Kunden abhängig ist.

Für Lieferanten sind aber solche Energieeinsparungsangebote als ständiges Geschäftsmodell unfinanzierbar. Wenn ein Lieferant die Produktion der Energieeinsparungsanlage oder die Vorbereitung eines entsprechenden Dienstleistungsangebotes vorfinanziert, und dann den Rückfluss der von ihm eingesetzten Mittel erst über einen längeren Zeitraum erwarten kann, so wird er rasch von der Illiquidität bedroht sein. Die Hausbank wird jedenfalls nicht bereit sein, einen so langsamen Kapitalumschlag mit einem ausreichenden Betriebsmittelkredit zu finanzieren.

Daher wird in der Praxis immer wieder diskutiert, dass Finanzinvestoren anstelle des Lieferanten derartige Einsparungsinvestitionen finanzieren sollten, etwa in Form von eigens zu diesem Zweck geschaffenen Energieeffizienz-Fonds.

Einer solchen Finanzierungskonstruktion steht aber eine Reihe von Hindernissen entgegen.

  • Risikoaspekte: Energieeinsparungsinvestitionen in Produktionsanlagen von Industrieunternehmen sind technisch komplex und mit einer Reihe von technischen Risiken verknüpft, wie insbesondere Planungsrisiken (wird die geplante Energieeinsparung überhaupt technisch funktionieren ?), Konstruktionsrisiken und betrieblichen Risiken. Finanzinvestoren sind sehr zurückhaltend, wenn sie technische Risiken übernehmen sollen, die sie nicht beurteilen können. Außerdem sind sie nicht nur mit den technischen Risiken eines Energieeinsparungsprojektes konfrontiert, sondern auch mit dem langfristigen Kreditrisiko des Kunden.
  • Komplexität und Kosten: Wenn Energieeinsparungsverträge durch Dritte finanziert werden sollen, so ist dies im Regelfall nur durch eine eigene Projektträgergesellschaft und Projektfinanzierungsstrukturen möglich, die zeitaufwendig und kostspielig sind. Eine solche Strukturierung wird sich nur bei Projekten lohnen, deren Finanzierungsvolumen größer als 10 Mio. € ist.
  • Finanzmarktregularien: Für die Gründung und Finanzierung eines Energieeffizien-Fonds ist eine Reihe von finanzmarktrechtlichen Vorschriften für die Gründung und den Betrieb einer solchen Gesellschaft zu beachten, die hohe Rechtskosten und eine aufwendige innerbetriebliche Organisation erfordern.

Um diese Probleme zu lösen, wurde im europäischen Projekt TrustEE ein gänzlich anderer Finanzierungsansatz gewählt:

  • Das Finanzvehikel, das die Mittel von Kapitalmarktinvestoren bündeln soll, wird nicht die Projekt- und Konstruktionskosten des Energieeffizienzprojektes von der Planungsphase an vorfinanzieren, sondern erst dann einsteigen, wenn das Projekt installiert ist und die Funktionsfähigkeit nachgewiesen ist. Zu diesem Zeitpunkt wird das Finanzvehikel die Forderungen des Lieferanten gegen den Kunden aus dem Energieeinsparungsvertrag erwerben („forfaitieren“). Zu diesem Zeitpunkt sind die technischen Risiken größtenteils bereits abgearbeitet und belasten daher nicht mehr die Investoren des Finanzvehikels.
  • Rechtlich wurde zu diesem Zweck ein „Securitization Vehicle“ nach Luxemburger Recht gegründet, welches die ausführlichsten und investorfreundlichsten gesetzlichen Regelungen zu dieser Finanzierungsform enthält.
  • Die Forderungen, die erworben werden sollen, müssen dem vom Finanzvehikel vorweg aufgestellten Risikoprofil entsprechen. Zu diesem Zweck werden mit Lieferanten, die die Forfaitierung in Anspruch nehmen wollen, vorweg Rahmenverträge abgeschlossen, aus denen die entsprechenden Vereinbarungen in den Energieeinsparungsverträgen abzuleiten sind.
  • Die Lieferanten von Projekten werden von TrustEE akkrediert, die den Forderungen zugrundliegenden Projekte werden technisch durch die im Rahmen des Projektes TrustEE aufgebaute Projektanalyse- und Projektentwicklungsplattform in einem automatisierten Vorgang geprüft.
  • Das Kreditrisiko des Endkunden muss für die Laufzeit der Forfaitierung durch eine Kreditversicherung abgedeckt sein.

Diese standardisierte Vorgangweise ermöglicht es, auch kleinere Projekte zu prüfen und zu refinanzieren; angestrebt ist eine Projektuntergrenze von 50.000 EURO, die in der Folge sogar noch gesenkt werden könnte.

Das „Securitization Vehicle“ wird zur Finanzierung seiner Forfaiting-Aktivitäten Anleihen begeben, die institutionellen Anlegern angeboten werden sollen. Diese Anleger können damit ein breit gestreutes, von technischen Planungs- und Errichtungsrisiken freies Veranlagungsinstrument im Bereich der Energieeffizienz erwerben, das in dieser Form bisher nicht auf dem Kapitalmarkt gezeichnet werden konnte.

Weitere Informationen

https://www.trust-ee.eu/

Autorenbeschreibung

Dr. Winfried Braumann ist bei der REENAG Holding GmbH, Wien in der geschäftspolitischen und organisatorischen Entwicklung sowie in Akquisitions- und Finanzierungsprojekten tätig.

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Statement

„Das Energieinstitut der Wirtschaft unterstützt Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz in Unternehmen, um diese möglichst schnell zum Einsatz zu bringen. Innovative, an sich wirtschaftliche Projekte können bei Banken an restriktiven Bewertungskriterien scheitern. Dies hat zur Folge, dass Projekte durch hohe Risikoaufschläge ihre Wirtschaftlichkeit verlieren. Es bedarf daher Standards für die Projektbewertung und Versicherungslösungen zur finanzierungsgerechten Risikoverteilung und –absicherung.“

Sonja Starnberger, Projektleiterin am Energieinstitut der Wirtschaft GmbH

Abbildung: Portrait von Sonja Starnberger

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