2008-04: Nachhaltige Gebäude
Wassermanagement
Abbildung 1: Bisherige Wasserversorgung am geplanten Wasserhaus-Standort
Ob in Europa oder in Entwicklungs- oder Schwellenländern, viele innovative Technologien haben mit mangelnder Akzeptanz seitens der Nutzer zu kämpfen. Bei Sanitärkonzepten trifft dies in besonderem Maße zu, da diese in die Privatsphäre eingreifen. Wie viele andere Neuentwicklungen auch, verlangen neue Sanitärkonzepte in der Regel eine Änderung des Nutzerverhaltens. Um beispielsweise das richtige Funktionieren von Trenntoiletten zu gewährleisten, müssten sich Männer angewöhnen, im Sitzen zu urinieren.
Entwicklung von Sanitärkonzepten im Dialog mit Nutzern und Nutzerinnen¹
¹ Der besseren Lesbarkeit halber wird im Folgenden ausschließlich die männliche Form verwandt; es sind jedoch Männer und Frauen gleichermaßen gemeint.
Jedoch sind gerade im Sanitärbereich Verhaltensänderungen besonders schwierig zu bewirken: In vielen Kulturkreisen ist alles, was im weitesten Sinn mit „Toilette“ zu tun hat, ein Tabuthema, so dass diesbezügliche Kommunikation schwierig ist.
Aus den Wirtschaftswissenschaften ist bekannt, dass die Beteiligung von Kunden an der Produktentwicklung zum Produkterfolg beiträgt. Die Forschung zur Akzeptanz erneuerbarer Energien zeigt, dass die Partizipation der zukünftigen Nutzer einer Technologie an der Implementierung förderlich für die Nutzerakzeptanz ist. Auch für die Entwicklung und Umsetzung innovativer Sanitärkonzepte ist die Beteiligung an allen Phasen des Entwicklungsprozesses von der Idee über den Bau eines Prototyps bis hin zur Implementierung sinnvoll.
Nutzerbeteiligung
Gründe für die Beteiligung der Nutzer an der Entwicklung neuer Sanitärkonzepte gibt es viele: Potenzielle Nutzer können als Experten ihres eigenen Lebens betrachtet werden; besser als jeder Außenstehende können sie darüber Auskunft geben, welche Gewohnheiten sie pflegen und welche Bedürfnisse sie haben. Während bei einigen Entwicklungsingenieuren die technische Machbarkeit im Vordergrund steht, denken Nutzer eher an praktische Relevanz. Durch den Austausch mit zukünftigen Nutzern wird sichergestellt, dass Konzepte auf die Nutzerbedürfnisse zugeschnitten sind und auch tatsächlich genutzt werden. Nicht zuletzt gehört es auch zum Verständnis von Demokratie, dass die Menschen bei den Themen, die sie betreffen, die Möglichkeit zur Mitsprache haben.
Wird ein Sanitärkonzept bereits für einen speziellen Ort, wie beispielsweise einen Wohnkomplex, entwickelt, sprechen noch weitere Gründe für die enge Einbindung der Nutzer: Auch hier erhöht die Beteiligung die Wahrscheinlichkeit, dass das Konzept zu den Nutzern passt. Zudem bewirkt die Nutzerbeteiligung an sich eine erhöhte Akzeptanz, wie beispielsweise die Möglichkeit, Fragen zu stellen, eigene Vorschläge einzubringen und an Entscheidungen teilzuhaben. Durch eine umfassende Information der Nutzer, die mit einer Beteiligung notwendig einhergehen muss, können sich nach und nach Einstellungen verändern.
Möglichkeiten der Nutzereinbindung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zukünftige Nutzer in die Entwicklung von Sanitärkonzepten einzubeziehen. Beispielsweise wurde mit INNOCOPE (INNOvating through COnsumer-integrated Product dEvelopment, s. http://www.gelena.net/) ein Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe im Dialog zwischen Kunden und Unternehmen
nachhaltige Produkte entwickelt werden können. In der Lead User Methode werden Nutzer, die mit ihren Bedürfnissen dem Markttrend voraus sind (sogenannte Lead User), für die Entwicklung innovativer Konzepte zu Workshops eingeladen.
Eine weitere Möglichkeit ist das Durchführen von Fokusgruppen, ein Verfahren aus der qualitativen Marktforschung. Mit dieser Methode lassen sich sowohl in frühen Entwicklungsphasen Ideen generieren als auch in späteren Phasen Produktvorschläge diskutieren. Zudem ist sie relativ unaufwändig. Deswegen soll diese Methode im Folgenden anhand eines Fallbeispiels vorgestellt werden.
Entwicklung des Kommunalen Wasserhauses
An der Universität Potsdam wird derzeit ein Projekt durchgeführt, das zum Ziel hat, ein alternatives Konzept für eine dezentrale Wasserver- und -entsorgung ländlicher Siedlungen zu entwickeln und dieses exemplarisch in einer ländlichen Kommune in der Provinz Eastern Cape in Südafrika umzusetzen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert (Fkz 02WD0737 bis 0742) und in Kooperation mit verschiedenen Firmenpartnern umgesetzt (siehe auch www.wasserhaus-suedafrika.de). Wie in Abbildung 2 zu sehen, bietet das Wasserhaus die Möglichkeit, an einem zentralen Ort nach Geschlechtern getrennt zu duschen und Wäsche zu waschen. Das Dusch- und Waschwasser wird nach Gebrauch aufbereitet und kann erneut verwendet werden. Für die benötigten Pumpen sowie zum Erwärmen von Wasser und des Gebäudes selbst (im Winter) wird Sonnenenergie verwendet.
Abbildung 2: Darstellung des Kommunalen Wasserhauses
Die Idee für ein kommunales Wasserhaus entstand in Gesprächen mit Menschen, die in ländlichen Gegenden Südafrikas leben. Mit Jansenville in der Ikwezi Municipality wurde ein Ort für den Bau des ersten Wasserhauses gefunden. Derzeit wird der Prototyp in enger Zusammenarbeit mit südafrikanischen Behörden sowie der Verwaltung der Ikwezi Municipality entwickelt. Im Rahmen einer Versammlung wurden die Bewohner von Jansenville darüber informiert, dass der Bau eines kommunalen Wasserhauses geplant ist.
Gründung von Fokusgruppen
Um etwas über die Vorstellungen und Erwartungen und Befürchtungen der potenziellen Nutzer zum Wasserhaus zu lernen, wurden drei Fokusgruppen durchgeführt. Fokusgruppen sind moderierte Gruppen, die über ein Thema diskutieren, beispielsweise ein sich in der Entwicklung befindendes Produkt. In diesem Fall wurden den Teilnehmern anhand einer Zeichnung (siehe Abbildung 2) Fragen zum Wasserhaus als ganzes sowie zu einzelnen Aspekten (Duschen, Wäsche waschen) gestellt. Der Moderator achtete darauf, dass alle Teilnehmer zu Wort kamen und lenkte die Diskussion ggf. zum Thema zurück.
An der ersten Gruppe nahmen fünf Jugendliche teil, an der zweiten sechs jüngere Frauen, an der dritten sieben ältere Frauen (siehe Abbildung 3). Aus organisatorischen Gründen konnte bisher noch keine Fokusgruppe mit Männern durchgeführt werden; diese könnten mit Sicherheit noch weitere Aspekte beitragen.
Alle Fokusgruppen wurden auf Tonband aufgezeichnet, transkribiert und ggf. ins Englische übersetzt. Folgende Aspekte wurden als relevant für die Nutzerakzeptanz identifiziert:
- Privatsphäre beim Duschen;
- Sicherheit der Nutzer: Sicherheit vor sexuellen Übergriffen, Kleider-Diebstahl während des Duschens etc.;
- Hygiene: Sauberkeit der Räume;
- Wasserqualität: bessere Qualität als das bisher verfügbare, übel riechende Leitungswasser;
- Zuverlässigkeit des Service;
- Zugang zum Wasserhaus ohne Diskriminierung.
Vorschläge zur Umsetzung dieser Punkte wurden teilweise bereits in die Diskussionen eingebracht wie beispielsweise das Einbauen getrennter, mit Riegeln verschließbarer Duschkabinen oder das Überwachen des Wasserhauses durch eine Respektsperson im Vorraum. Um sicherzustellen, dass die Vorschläge der Nutzer bei der Umsetzung berücksichtigt werden, wird ein Steuerungskomitee eingerichtet, das sich aus Mitgliedern aller Bevölkerungs- und Interessensgruppen zusammensetzt.
Fazit
Die Notwendigkeit, die Nutzer einzubeziehen, ist besonders offenkundig beim internationalen Technologietransfer, da hier kulturelle und geographische Distanzen zwischen Nutzern und Entwicklern eine Rolle spielen. Als Ursache für viele gescheiterte Technologietransfer-Projekte wird mangelnde Kooperation mit Endnutzern sowie mit lokalen Institutionen gesehen. Aber auch bei Entwicklungen für das eigene Land können die (potenziellen) Nutzer wertvolle Beiträge leisten. Partizipative Prozesse benötigen zwar Ressourcen, aber deren Nutzen für das Produkt und die Akzeptanz desselben sollte nicht unterschätzt werden. Mit der Durchführung von Fokusgruppen kann ein erster Schritt zu einem Dialog zwischen Entwicklern und Nutzern getan werden.
*) Friederike Arnold ist Mitarbeiterin an der HANS-SAUER-PROFESSUR für Metropolen- und Innovationsforschung am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]