2007-03: Vorbei an Kioto
Nachhaltige Gebäude
Quelle: Constantin Meyer Photographie
Der Annex 49 ist ein internationales Kooperationsprojekt im Rahmen des Programms für Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden und Gemeinden (ECBCS) der Internationalen Energieagentur (IEA). Er ist auf eine Laufzeit von drei Jahren ausgelegt, die im November 2006 nach der einjährigen Vorbereitungsphase begann. In die Arbeit des Annex 49 sind circa 17 Forschungsinstitutionen, Universitäten und Firmen aus derzeit 12 Ländern eingebunden.
Niedrigexergiesysteme für hocheffiziente Gebäude und Gemeinden
IEA ECBCS Annex 49 Low Exergy Systems for High-Performance Buildings and Communities
International Energy Agency
Energy Conservation in
Buildings and Community
Systems Programme
Von Dietrich Schmidt und Marlen Schurig*
Die Notwendigkeit zu einem noch effektiveren Umgang mit Energie in Gebäuden hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Dies gilt besonders, wenn man sich das große Potenzial der Einsparmöglichkeiten und für einen effizienteren Umgang mit Energie in diesem Sektor vor Augen führt. Viele Anwendungen, wie das Heizen von Räumen auf ca. 20 °C benötigen keine hohen Temperaturen, sind in ihrer Natur niederexergetisch. Dennoch werden dafür heute in der Regel hochexergetische Energieträger, wie Erdgas, verwendet. Die Nutzung von qualitativ minderwertigen Energiequellen, mit geringerem Exergieanteil, ist im Gebäudebereich für verschiedene Anwendungen möglich und wirtschaftlich.
Ziele
Ziel dieses Vorhabens ist es, Strategien für die effiziente Versorgung von Gebäuden mit Wärme, Kälte und Elektrizität, sowie die Anwendung erneuerbarer Energien im Gebäudebereich zu entwickeln. Dies wird durch die Optimierung verschiedener Technologien auf Basis der Analyse ihrer Exergieströme erreicht, sowie durch ihre Anpassung an eine neue Struktur des Energiebedarfs der Gebäude.
Abbildung 1: Energie- und Exergieströme durch ein Beispielgebäude
Vorgehensweise
Die Arbeit innerhalb des Annex 49 basiert auf einer integralen Betrachtung. Diese umfasst nicht nur die Analyse und Optimierung des Exergiebedarfs von Heiz- und Kühlsystemen in Gebäuden, sondern schließt auch alle weiteren energetischen Prozesse in Gebäuden und deren Versorgung mit ein. Um diese Ziele zu erreichen, werden die Grundlagen für die Methoden der exergetischen Analyse für Gebäude erarbeitet und in Planungs- und Bewertungswerkzeugen umgesetzt. Auf dieser Grundlage fokussiert sich die Arbeit bei den exergieeffizienten Gemeinden und Versorgungsstrukturen auf die Entwicklung von innovativen Verteil-, Speicher- und Energieerzeugungskonzepten. Für den Bereich der exergieeffizienten Gebäudetechnologien ist die Reduktion des Bedarfs von hochqualitativer Energie für die Beheizung, Kühlung und Lüftung zentral. Innerhalb der Arbeit im Annex 49 wird Wert auf eine breite Informationsstrategie gelegt. So konzentriert sich der Wissenstransfer auf die Sammlung und Verbreitung von Informationen für unterschiedliche Zielgruppen.
Exergie-Konzept
Wie gezeigt werden kann, ist das heute üblicherweise verwendete Bewertungssystem auf der Basis der Energieflüsse allein nicht für ein vollständiges Verständnis aller Vorgänge der Energieanwendung ausreichend. Das Exergie-Konzept ist geeignet, diese Informationslücke zu schließen, ein besseres Verständnis zu ermöglichen und zu einer verbesserten Planung von Gebäuden und Versorgungssystemen zu führen. Es zeigt auf, wo und in welcher Größe Ineffizienzen bei Energieumwandlungsprozessen entstehen. Energie manifestiert sich nicht nur über ihre Quantität, sondern vielmehr ebenfalls durch ihre jeweilige Qualität.
Das Maß, dass nicht nur die Quantität eines Energieträgers bewertet, sondern auch dessen Qualität, nennt sich Exergie. Sie besagt, welcher Anteil eines Energieträgers für einen bestimmten Zweck nutzbar ist und welcher nicht. Der nicht nutzbare Anteil heißt Anergie. Beide zusammen ergeben als Summe die Energie.
Eine Reduktion der Lasten ist der Schlüssel zu einer guten exergetischen Auslegung. Dies gilt sowohl für die Gebäudehülle, als auch für die Anlagenkomponenten. Benötigt das wärmeabgebende System nur einen geringen Exergieanteil (sogenanntes LowEx-System), wie zum Beispiel eine Fußbodenheizung, kann diese auch mit einem Niedrigexergie-Wärmeerzeuger und eventuell mit einer regenerativen Energiequelle versorgt werden. Im umgekehrten Fall kann ein Emissionssystem mit einem hohen Exergiebedarf, wie eine elektrische Heizung, nicht mit einer niedrigexergetischen Quelle versorgt werden.
Ein Umsetzungsbeispiel
In der Praxis findet das Exergie-Konzept, z.B. im „Minewater Project Heerlen“ in den Niederlanden, Anwendung. Dieses Projekt wird in internationaler Kooperation durchgeführt, die Organisationen aus den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Deutschland umfasst. Das Projekt zielt darauf ab eine regenerative und niedrigexergetische Energiequelle, die geothermische Energie im Wasser der geschlossenen Kohlegruben, möglichst direkt für die Beheizung und Kühlung von Gebäuden zu nutzen.
Das Grubenwasser hat in den tieferen Bereichen eine Temperatur von ungefähr 30 °C, welche für bestimmte Wärmeübergabesysteme, wie z.B. thermische Aktivierung von Betondecken (TABS), direkt als Vorlauftemperatur für den Heizfall ausreichend ist. In anderen Bereichen kann Grubenwasser näher der Oberflache mit einer Temperatur von ungefähr 10 °C gewonnen werden, was ausreichend ist um mit den beschriebenen Übergabesystemen Gebäude direkt zu kühlen. Die Gruben liefern niedrig-qualitative Energie in großen Quantitäten.
Die weiteren Ziele des Pilotprojektes sind die Gewinnung und Bereitstellung von neuer „Grüner“ Energie aus den alten Kohlegruben, die Reaktivierung einer ehemaligen Bergbauregion, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Lösung von Umweltproblemen mit innovativer Technologie und den alten Schachtanlagen.
Abbildung 2: Schnitt und Schema der Grubensituation in Heerlen, Niederlande
In dem Heerlener Projekt wird Grubenwasser aus Brunnen mit unterschiedlichen Temperaturen gewonnen. Im Schacht der ehemaligen ON III Grube (Standort 1 in Heerlerheide) wurde gewinnbringender Bergbau bis zu einer Tiefe von 800 m betrieben. In diesem Bereich sind die Brunnen für das warme Wasser (30° C) zu finden. In der ehemaligen ON I Grube (Standort 2 in Heerlen), wurde Bergbau bis zu einer Tiefe von 400 m betrieben, wo sich die Brunnen für die Versorgung mit kühlem Wasser befinden.
Das geförderte Grubenwasser wird zu den lokalen Energiestationen über ein Nahwärmenetz transportiert. In diesen Energiestationen findet Wärmeaustausch zwischen dem primären Netz und dem sekundären Netz statt, welches die Gebäude versorgt. Diese Versorgung liefert eine Temperatur von 35° - 40°C für die Heizung und 16° - 18°C in einer zweiten Leitung für die Kühlung. In einer dritten Leitung wird der gemeinsame Rücklauf von 20° - 23°C geführt, der dem Schluckbrunnen zugeführt wird.
Die jeweilig nötigen Temperaturen für den Vorlauf für die Heizung und die Kühlung werden in den Energiestationen durch ein Polygenerationskonzept garantiert, dass aus Wärmepumpen in Kombination mit Gasbrennwertkesseln für die Spitzenlastabdeckung besteht. Eine Kraft-Wärme-Kopplung Einheit kann zugeschaltet werden.
Das Minewater Project in Heerlen ist ein Beispiel der exergetisch sinnvollen Anpassung von energetischem Bedarfniveau und einer geeigneten Quelle. Durch die verwendete angepasste Haus- und Bautechnik kann die regenerative geothermische Energiequelle Grubenwasser mit geringem Aufwand unmittelbar für die Beheizung und Kühlung eines teilweise neu entstehenden Stadtteils und für die sanierten Gebäude genutzt werden.
Ergebnisse des Annex 49
Innerhalb der Bearbeitung wird ein besonderes Augenmerk gelegt auf:
- die Nutzung des Exergiekonzeptes zur Entwicklung von Berechnungswerkzeugen, Richtlinien, Empfehlungen und Hintergrundmaterialien für Planer und Entscheidungsträger in den Sektoren Immobilienwirtschaft, Energieerzeugung und aus der Politik
- die Entwicklung von kosteneffizienten Maßnahmen zur Energie-/Exergiebedarfsreduzierung von sanierten und neuen Gebäuden,
- die Entwicklung eines Analyseverfahren auf Basis des Exergiekonzeptes für die Energieversorgung von Gebäuden.
Neben dem Hauptprodukt des Annex 49, einem Ratgeber und Handbuch für die exergetische Optimierung von Gebäuden und Versorgungsstrukturen bei gleichzeitiger Sicherstellung eines hohen Komforts für die Nutzer der Gebäude, werden darauf aufbauende Planungsrichtlinien erarbeitet. Die Ergebnisse werden in einer Computer Software umgesetzt. Mit Beispielen wird der Einsatz der Methoden anschaulich dargestellt. Darüber hinaus werden Vorschläge für Normen erarbeitet. Weiterführende Informationen über Aktivitäten und den aktuellen Stand der Bearbeitung erhalten Sie über die Internetseite des Vorhabens: www.annex49.com
*) Dr. Dietrich Schmidt ist stellvertretender Abteilungsleiter beim Fraunhofer Institut für Bauphysik, Projektgruppe Kassel und Operating Agent des ANNEX 49 E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!;
Marlen Schurig ist Mitarbeiterin des Fraunhofer-Insituts für Bauphysik, Projektgruppe Kassel, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]