Zeitschrift EE

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2007-03: Vorbei an Kioto

Nachhaltige Gebäude

Für die Planung von Passivhäusern hat sich eine Energiebilanzierung auf Monatsbasis als angemessene Methode erwiesen, die durch Werkzeuge z.B. für die Heizlast-Auslegung ergänzt wird. Das vom Darmstädter Passivhaus Institut herausgegebene Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP) dient diesem Zweck. Das Programm liegt 2007 in einer neuen Fassung vor, die auch für Österreich bedeutende Verbesserungen enthält

Passivhaus Projektierungspaket 2007 für Österreich

Von Jürgen Schnieders*

Als die ersten Passivhäuser entwickelt wurden, verließ man sich auf eine dynamische thermische Gebäudesimulation, die stundenweise sämtliche Wärmeströme im Gebäude ermittelt und dabei auch kurzzeitige Speichereffekte genau berücksichtigt. Diese sehr genauen Verfahren haben einen Nachteil: Will man zuverlässige Ergebnisse erhalten, sind ein hohes Maß an Expertise beim Benutzer, große Sorgfalt und ein entsprechender Zeitaufwand erforderlich.
Es stellte sich rasch heraus, dass für die tägliche Planungspraxis vereinfachte Verfahren nicht nur leichter zu handhaben sind, sondern auch die gewünschten Ergebnisse liefern. Mit einer Energiebilanz über die Heizperiode kann man den durchschnittlichen Heizwärmeverbrauch eines Gebäudes bereits recht gut vorhersagen.

Flexibilität und Übersichtlichkeit

Aus diesem Ansatz heraus wurde am Darmstädter Passivhaus Institut das Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP) entwickelt. Das Rechenverfahren nutzt heute wie 1998 die Vorteile einer Tabellenkalkulation, hohe Flexibilität und gute Übersichtlichkeit. Um die eigentliche Heizwärmebilanz herum wurden zusätzliche Eingabehilfen und Berechnungen gruppiert. Jenseits der Heizwärmebilanz ist eine komplette Primärenergieberechnung bis hin zum Haushaltsstrom möglich; auf der Eingabeseite gibt es gezielte Unterstützung für die genaue Ermittlung der U-Werte und Flächen aller Arten von Außenbauteilen, der Lüftungswärmeverluste und des solaren Wärmeangebots. Parallel zur leicht nachvollziehbaren Heizperiodenbilanz bietet ein Monatsverfahren höhere Genauigkeit, ohne den Eingabeaufwand zu vergrößern.

Abbildung 2: Bürogebäude Lu-teco, Ludwigshafen, Architekt Lutz Laier

Forschungsprojekte

Das Interesse an Passivhäusern nimmt in den letzten Jahren auch außerhalb des deutschsprachigen Raums stark zu. Dies führte unter anderem zu zwei von der EU geförderten Forschungsprojekten, die der weiteren Verbreitung des Passivhausstandards dienen. Passive-On (www.passive-on.org) zielt auf warme Klimata im südwestlichen Europa, PEP (www.europeanpassivehouses.org) beschäftigt sich mit Passivhäusern in heizungsdominierten europäischen Klimata. Im Rahmen dieser Projekte wurde auch das PHPP im Hinblick auf eine stärkere Internationalisierung überarbeitet. Für Österreich konnten so mit Unterstützung durch die IG Passivhaus Österreich insbesondere Verbesserungen bei den verfügbaren Klimadaten für die Heizlastermittlung realisiert werden.
Durch verbesserten Wärmeschutz und Optimierung solarer Gewinne erlaubt das Passivhaus gegenüber Bestandsgebäuden eine Reduzierung des Energiebedarfs um den Faktor 10. Entscheidend für eine weite Verbreitung des Konzepts sind dabei verschiedene Punkte: Der Wohnkomfort wird verbessert und die Planung kann von jedem Architekten realisiert werden, der bereit ist, sich mit der Materie auseinanderzusetzen (hierzu leistet das PHPP einen Beitrag). Die zusätzlichen Investitionskosten halten sich im Rahmen und amortisieren sich im Laufe der Lebensdauer des Gebäudes.
Für den letzten Punkt ist vor allem von Bedeutung, dass es im Passivhaus möglich ist, die Mehrkosten für die höhere Energieeffizienz durch Minderkosten im Bereich der Wärmeversorgung zumindest teilweise zu kompensieren. Bei geeignet geplanten Gebäuden kann die Beheizung durch eine einfache Zuluftnacherwärmung erfolgen, das konventionelle Wärmeverteilsystem mit Heizkörpern, Fußbodenheizung o.ä. kann entfallen. Typischerweise ist dies bei Heizlasten von höchstens 10 W pro Quadratmeter Wohnnutzfläche möglich. Für den Planer ist wichtig: Zwischen dem Heizwärmebedarf (beim Passivhaus maximal 15 kWh pro Quadratmeter Wohnnutzfläche) und der Heizlast, welche die Möglichkeit zur Zuluftheizung bestimmt, gibt es zwar einen näherungsweisen Zusammenhang. Eine einfache Schlussfolgerung der Form: „Wenn 15 kWh, dann reicht Zuluftnachheizung“ ist im Einzelfall jedoch nicht zulässig.

Ermittlung der Heizlast

Stattdessen muss die Heizlast für das jeweilige Gebäude bestimmt werden. Die üblichen Auslegungsverfahren, wie sie für konventionelle Gebäude verwendet werden, sagen für Passivhäuser viel zu hohe Heizlasten vorher. Ursachen sind zum einen die fehlende Berücksichtigung solarer und interner Wärmegewinne, zum anderen die höhere thermische Trägheit, die dafür sorgt, dass das Passivhaus in kurzen, kalten Perioden nicht auskühlen kann. Würde man Passivhäuser nach konventioneller Methodik so auslegen wollen, dass eine Beheizung über die Zuluft möglich ist, hätte das eine erhebliche Überdimensionierung mit dramatischen Konsequenzen für die Wirtschaftlichkeit zur Folge.
Die für das PHPP entwickelte Methode der Heizlastauslegung rechnet nicht nur die Wärmegewinne mit ein, sondern berücksichtigt, dass in besonders kalten Perioden gewöhnlich viel Solarstrahlung zur Verfügung steht. Das führt in Passivhäusern mit gutem Strahlungszugang häufig dazu, dass die größte Heizleistung bei bedecktem Himmel, in nur mäßig kalten Perioden, benötigt wird.
Die eigentliche Berechnung der Heizlast für den Planer ist einfach, sie erfolgt nach Eingabe der Gebäudeeigenschaften ins PHPP quasi als Nebenprodukt der Heizwärmebilanzierung. Die Bereitstellung der benötigten Klimadaten erfordert aber eine Anzahl dynamischer Gebäudesimulationen anhand von Stunden- oder zumindest Tagesmittelwerten, welche darüber hinaus schwer erhältlich sind. Für das PHPP 2007 wurden mithilfe von Testreferenzjahren, die von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien eigens erstellt wurden, für 46 Standorte in Österreich Klimadaten ermittelt.

Weitere Neuerungen

Verbessert wurden im PHPP 2007 auch die Ermittlung des Strombedarfs und der internen Wärmegewinne in Nichtwohngebäuden sowie die Berechnung von Wärmepumpen-Kompaktgeräten. Umfangreiche Neuerungen betreffen ferner den Sommerfall, insbesondere in wärmeren Ländern: Die Berechnung der Überhitzungsdauer wurde verbessert, und der Energiebedarf einer je nach Klima erforderlichen Raumkühlung kann nun ermittelt werden.
Österreich ist derzeit, was den Anteil von Passivhäusern am Neubau angeht, weltweit führend. Es bleibt zu hoffen, dass das verbesserte PHPP seinen Beitrag dazu leisten kann, dass diese Spitzenposition erhalten bleibt.

Abbildung 3: Montessori-Schule Aufkirchen, Architekt: Rainer Vallentin

*) Dipl.-Phys. Jürgen Schnieders ist Mitarbeiter des Passivhaus Instituts in Darmstadt, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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