Zeitschrift EE

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2011-02: Solarthermie im Megawattsektor

Industrielle Prozesse

Abbildung 1: Ein Beispiel von effizienter Technologie zur Wasseraufbereitung: Solare Membrandestillation (Quelle: Solar Spring GmbH)

Prozessintensivierung (PI) ist nach der Definition der Europäischen Roadmap für PI „eine Zusammenstellung radikal innovativer Prinzipien für Apparate und Prozesse, welche hinsichtlich der Effizienz von Prozessen (Prozessketten), Kapital und Betriebskosten, Qualität, Abfall, Prozesssicherheit etc“ eine signifikante Verbesserung mit sich bringen kann [Senter Novem, 2007]. Ziel von PI ist neben Effizienzsteigerungen und Reduktionen des Material- und Energieeinsatzes auch die Verbindung von mehreren Prozessschritten zu einem einzigen.

Prozessintensivierung

Von Christoph Brunner, Bettina Muster und Hans Schnitzer *

Für die Optimierung von Produktionsprozessen gibt es eine Reihe methodischer Ansätze. Während Energiemanagementsysteme zur Senkung spezifischer Verbrauchskennzahlen anregen (Good Housekeeping), untersuchen Ansätze wie Prozessintegration und Cleaner Production die Prozessebene der Betriebe tiefgehend. Klassische Beispiele dafür sind neue Lösungen für Abwasser (Vermeiden statt Reinigen), Emissionsminderungen (Cleaner Production statt Umwelttechnik) oder die Implementierung von Wärmetauschern und Speicher für optimierte Wärmerückgewinnung (Prozessintegration). Um weitere substantielle Verbesserungen zu erreichen muss auch die Änderung der Verfahrenstechniken selbst verstärkt betrachtet werden. Einerseits kann damit die Prozesseffizienz erhöht werden, und andererseits die Einbindung von erneuerbarer Energie in die Prozesse verstärkt ermöglicht werden. „Prozessintensivierung“ wird damit zu einem wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Produktion.

Abbildung 2: Prozessintensivierung als ein Baustein zur nachhaltiger Produktion

Prozessintensivierung versucht die limitierenden Faktoren der derzeitig eingesetzten Verfahrenstechnik zu überwinden und radikal neue Lösungen zu finden. Prozesse sollen beispielsweise durch Erhöhung der Prozesseffizienz, durch Nutzung von Synergien zwischen Prozessen oder durch gezielte Prozesskontrolle schlanker und effizienter gemacht werden und in kleinen Apparaten ablaufen können: „Produce much more with much less“.

PI Ziele und Strategien

Die Prozessintensivierung beschäftigt sich mit der Optimierung der Prozesse auf Basis ihrer grundlegenden Funktionen. Die Kernfunktion des betrachteten Prozesses soll optimal durch die beste Anlagentechnik erreicht werden, wobei je nach Fragestellungen folgende Vorteile erreicht werden [Stankiewicz and Moulijn, 2000]:

  • Reduktion des Energieeinsatzes
  • Erhöhte Prozessflexibilität und Kontrolle
  • Umweltfreundliche Verfahrensweise
  • Minimierung des Aufwandes für Apparate und Maschinen
  • Erhöhte Sicherheit
  • Erhöhte Qualität
  • Reduktion des Investments

Drei wichtige PI Strategien können zusammenfassend genannt werden, durch welche ein intensivierter Prozess erreicht wird:

  1. Minimierung der Apparategröße – Kombination von Funktionen einzelner Prozesschritte zu einem Schritt
  2. Maximierung der Prozesseffizienz – Überwindung von Limitierungen in Massen- und Wärmetransfer
  3. Maximierung der Prozesskontrolle (u.a. Wechsel von Batch-Prozessen zu kontinuierlichen Prozessen)

Abbildung 3: Einfaches Beispiel eines intensivierten Prozesses

Abbildung 4: Verweilzeitverhalten in Batch- und kontinuierlichen Reaktoren (Stankiewicz, Skriptum TU Delft, 2008)

All diese Ansätze von PI sind selbstverständlich integriert zu betrachten, da beispielsweise die Maximierung der Prozesskontrolle die Prozesseffizienz erhöhen und damit die nötige Apparategröße vermindern kann. Mögliche positive Auswirkungen der Anwendungen dieser PI Strategien sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1: Positive Auswirkungen von PI auf unterschiedliche Aspekte der Produktion (basierend auf Bakker, 2004)

 
Minimierung der Apparategröße
Maximierung der Prozesseffizienz Maximierung der Prozesskontrolle
Kosten
Reduktion des nötigen Materials
(Verrohrung, Behälter etc.)
Erhöhte Produktivität Erhöhte Qualität und optimierter Rohstoffeinsatz
Anzahl der Prozessschritte
Kombination von Prozessschritten führt zu weniger Apparaten, kleinerer Anlagentechnik
Synergien von Prozessen können Triebkräfte erhöhen optimierte Regelung bei weniger Prozessschritten leichter, allerdings nicht bei Prozess-kombinationen mit vielen Freiheitsgraden
Emissionen - erhöhte Produktivität führt zu geringerer Emissionen/Abfall pro kg Produkte optimierter Rohstoffeinsatz führt zu geringeren Emissionen
Abfall geringerer Reinigungsaufwand, geringere zu lagernde Produktvolumen erhöhte Produktivität führt zu geringerer Emissionen/Abfall pro kg Produkt optimierter Rohstoffeinsatz führt zu geringerem Abfall
Instandhaltung Geringerer Aufwand der Instandhaltung - Geringerer Aufwand der Instandhaltung

Der Weg zu einem intensivierten Prozess

Um einen intensivierten Prozess zu entwickeln wird in einem ersten Schritt die dafür notwendige Funktion des Produktionsschritts definiert [Bakker, 2004; Reay et al., 2008]. Dabei wird in einem ersten Schritt ein Hauptziel, wie zum Beispiel eine erhöhte Prozesssicherheit, eine optimierte Prozesskontrolle oder die Steigerung der Energieeffizienz, das bei einem betrachteten Produktionsprozess erreicht werden soll, definiert.
Der nächste Schritt ist eine Funktionsanalyse des betrachteten Prozesses. Bei der Frage welche Funktion welcher Apparat im Prozess übernimmt, ist es wichtig die essentielle Aufgabe des Prozesses zu betrachten und nicht die derzeitige technologische Lösung. Mögliche Funktionen in einem Prozess sind zum Beispiel das Trennen von Prozessmedien oder das Abkühlen eines Prozessmediums. Möglicherweise wird bei der Funktionsanalyse schon klar, dass der eine oder andere Prozessschritt eigentlich nicht unbedingt notwendig ist bzw. umgangen werden könnte (z.B. unnötig große oder zu viele Zwischenspeicher).
Neben der Funktionsanalyse der Prozesse ist eine genaue Prozesskenntnis entscheidend, da die nötigen grundlegenden Prozessparameter sowohl für die weiteren Lösungsmöglichkeiten relevant sind, aber auch bestimmte technologische Verfahren von vorne herein ausschließen können (kann das Prozessmedium aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften elektromagnetisch erwärmt werden? Sind die Sättigungsdampfdrücke zweier Komponenten unterschiedlich genug um darauf aufbauend bestimmte thermische Trennprozesse realisieren zu können?).

Abbildung 5: Methodischer Ansatz zur Prozessintensivierung (Schritte nach Reay et al., 2008)

Aufbauend auf diesen Basisinformationen muss nun die entscheidende Frage nach den limitierenden Faktoren bzw. den Prozessengpässen (bottlenecks) gestellt werden: Welche Faktoren hindern den Prozess daran effizienter zu sein, die definierte Zielsetzung besser zu erreichen? In thermischen Verfahrensschritten ist oft ein bestimmter Stoff- oder Wärmeaustausch (beispielsweise Leitung durch ein schlecht leitendes Medium oder Konvektion durch eine schlecht durchmischte Flüssigkeit) der limitierende Prozessschritt, der die Prozessgeschwindigkeit und damit die Effizienz bestimmt. Bei Prozessen, deren Energieintensität optimiert werden soll, kann neben dem Wärmetransfer die Höhe der nötigen Aktivierungsenergie ausschlaggebend für die Energieintensität sein.
Im Rahmen der Erstellung der Roadmap für Prozessintensivierung wurde von den Autoren eine Liste an 72 PI Technologien und Methoden zusammengestellt [Senter Novem, 2007]. Weiters sind zwei umfassende Bücher zu Prozessintensivierung publiziert (Stankiewicz and Moulijn, 2004; Reay et al., 2008), welche unterschiedliche Technologien und ihre Einsatzmöglichkeiten beschreiben. Diese breite Wissensbasis kann zur Evaluierung benutzt werden, welche Technologien neue Lösungsmöglichkeiten für die gegebene Problemstellung darstellen könnten. Prozessintensivierung will substantielle Effizienzsteigerungen erreichen, weshalb radikale Prozessänderungen in einem ersten Feasibility-Screening nicht ausgeschlossen werden sollten [Reay et al., 2008].
In der 2007 entwickelten PI Roadmap wurden einige Industriesektoren aus der Lebensmittelindustrie und der chemischen Industrie ausgewählt, für die das Potential für PI näher betrachtet wurde. Speziell in der Lebensmittelindustrie sind begrenztes Wissen und Know-how über den genauen Ablauf von Prozessen bezogen auf chemische und energetische Abläufe die größte Herausforderung für die Realisierung des vorhandenen Potentials von u.a. 30-60% Energiebedarfsreduktion bis 2050 (Senter Novem, 2007). Die Bedeutung dieses Potential in Zukunft umzusetzen, zeigt sich durch die Notwendigkeit der Reduktion des Energieeinsatzes sowie der verstärkten Integration neuer Energieträger in der Produktion zur Erreichung der definierten Klimaziele.

Literatur:

  • Senter Novem, 2007, European Roadmap for Process Intensification, Senter Novem, Den Haag, Holland.
  • A.I. Stankiewicz and J.A. Moulijn, 2000, Process intensi?cation: transforming chemical engineering, Chemical Engineering Progress 96, 22-34.
  • D. Reay, C. Ramshaw and A. Harvey, 2008, Process Intensification: Engineering for efficiency, sustainability and flexibility, Butterworth-Heinemann, Oxford, UK.
  • Bakker R. A., 2004, Process intensification in industrial practice - Methodology and Application, in: A.I. Stankiewicz and J.A. Moulijn (Editors), Re-Engineering the chemical processing plant: Process Intensification, Marcel Dekker, New York, USA.
  • A.I. Stankiewicz and J.A. Moulijn (Editors), 2004, Re-Engineering the chemical processing plant: Process Intensification, Marcel Dekker, New York, USA.

*) DI Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE“ von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
DI
Bettina Muster ist Mitarbeiterin in des Bereichs „Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE“ von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Dr.
Hans Schnitzer ist Professor am Institut für Prozess- und Partikeltechnik der Technischen Universität Graz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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