2006-01: Bauen und Sanieren
Realisierte Sanierungen
Die GAG Ludwigshafen wurde 1920 gegründet und verwaltet derzeit 14.400 Wohnungen. Im Rahmen der Entwicklungsstudie „Soziale Stadt“ in Ludwigshafen am Rhein werden in „Mundenheim Süd-Ost“ insgesamt 108 Wohneinheiten saniert.
Energiegewinnhaus im Mietwohungsbestand
Wegen der unterschiedlichen Rechenansätze der Bilanzverfahren (Deutsche Energieeinsparungsverordnung 2002 „EnEV“ und Passivhausprojektierungspaket „PHPP“) liegen keine vergleichbar ausgewerteten Sanierungsobjekte vor. Das projektierte „Passivhaus im Bestand“ (Hoheloogstraße 1+3) und der direkt daneben gelegene baugleiche Wohnblock (Hoheloogstraße 5+7) mit der geplanten Sanierung bieten die optimale Möglichkeit einer vergleichenden Untersuchung. Ein Gebäude wurde nach EnEV, das andere nach PHPP saniert. Hier können erstmalig zeitgleich Messungen unter gleichen Bedingungen des Außenklimas erfolgen, bei denen sowohl Heizwärmeverbrauch als auch die Innenraumluftqualität direkt miteinander verglichen werden. Weitgehende Erfahrungen mit dem Passivhaus-Standard im Neubau von Wohngebäuden bilden die Grundlagen für die Übertragung der Effizienztechnologie auf die Bestandsmodernisierung.
Abbildung 1: Vor der Sanierung und Visualisierung „Nach der Sanierung“
Das Land Rheinland-Pfalz fördert beide Vorhaben mit zinsgünstigen Baudarlehen in Höhe von jeweils 350.000,- €, sowie Zuschüssen für die begleitende Forschung zum Passivhaus aus dem ExWoSt-Programm (experimenteller Wohnungs- und Städtebau) in Höhe von 220.000,- €. Baubeginn war Februar 2005, der Wiederbezug ist im April 2006.
Maßnahmen
Bei den Gebäuden handelt es sich um zwei dreigeschoßige Wohnblöcke mit je 12 Wohnungen. Die Außenwände bestehen aus 30 cm Hochlochziegel (HLZ/150MGII), das Dach ist ein stützenloses Kehlbalkendach mit 32,5° Neigung. Die Decken sind in Stahlbeton bzw. als Ziegeldecke ausgeführt. Geheizt wurde mit Gas-Einzelöfen. Die Warmwasserbereitung erfolgte weitgehend mit Gas-Durchlauferhitzern.
Folgende Maßnahmen werden durchgeführt:
- Aufbringung von 30 cm Perimeterdämmung, ca.1,20 m unter Bodenniveau, 12 cm Sockelausbildung (wie nach EnEV vorgeschrieben);
- Abbruch sämtlicher Kamine;
- Erneuerung der Dacheindeckung, Aufschieblinge im Traufbereich zur Einkleidung des horizontalen Sparrenlagers, Erneuerung der Rinnen und Fallrohre;
- Aufbringung von Wärmedämmverbundsystem auf der Außenwand, Dämmung der Kellerdecke und obersten Geschoßdecke sowie des Treppenhauskopfs;
- Austausch aller Fenster, im Passivhaus (saniert nach PHPP) werden alle Kellerfenster zugemauert. Es wird mit zeitgesteuerten Ventilatoren entlüftet, Zuluft über Wanddurchführungen;
- Neugestaltung von Eingangsbereich, Sprechanlage, Briefkasten, Vordach etc.;
- Anschluss an Nahwärmeversorgung des Energieanbieters TWL mit BHKW (Kraft-Wärme-Kopplung);
- Änderung der Grundrisse, damit einhergehende Erneuerung aller Bäder;
- Erneuerung der kompletten Sanitärinstallation;
- Installation einer dezentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (nur im Passivhaus);
- Erneuerung der Elektroinstallation;
- Abbruch der alten Balkone und Schließung der Nischen;
- Errichtung frei vorgestellter neuer Balkone.
Bauteil |
Beschreibung
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U–Werte [W/m²K]
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EnEV
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PHPP
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Bestand
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EnEV
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PHPP
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Außenwand |
WDVS Polystyrol WLG 035
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1,294
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0,238
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0,107
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12 cm
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30 cm
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Decke über 2.OG |
Polystyrol WLG 035
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0,516
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0,274
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0,114
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12 cm
|
30 cm
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||||
Kellerdecke |
Polystyrol 035
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PU Platte 025
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0,640
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0,310
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0,222
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6 cm
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12 cm
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Fenster |
Kunststofffenster (i.M.)
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ca. 2,8
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1,450
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0,830
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2-fach Verglasung
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3-fach Verglasung
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Tabelle 1: U-Werte der einzelnen Bauteile des Bestandes und nach den Bilanzverfahren EnEV und PHPP
Grundrisse
Durch verhältnismäßig geringe Eingriffe in die Bausubstanz entstehen kompakte 2-Zimmer-Wohnungen und gut geschnittene 3-Zimmerwohnungen mit flexibler Nutzung (siehe auch Abbildung 2).
In der 3-Zimmerwohnung konnte das Bad an die Außenwand gelegt und somit natürlich belichtet und belüftet werden. Der frühere Loggienbereich wird der Wohnung zugeschlagen. Die Vorstellbalkone sind großzügig bemessen und ein wesentliches Gestaltungselement der neu gegliederten, architektonisch ansprechenden Fassade.
Abbildung 2: Neuer Grundrisszuschnitt der Wohnungen
Wärmebrücken
Für das Passivhaus wurden die Wärmebrücken unter Mitwirkung des Passivhausinstituts in Darmstadt mit dem Programm HEAT 2/3 berechnet, die Ergebnisse und flossen in die Berechnungen mit dem Bilanzverfahren PHPP mit ein. Bei den Berechnungen nach dem Bilanzverfahren EnEV gingen die Wärmebrücken pauschal mit 0,10 W/m²K ein.
Ganz entscheidend war es, die größte Wärmebrücke, die auskragenden Balkonplatten, komplett zu entfernen. Die Balkonplatten wurden wandbündig abgeschnitten, die verbleibenden Loggien werden mit einem Fensterelement geschlossen und ein neuer Stahlbalkon freistehend davor gestellt.
Der Fußpunkt des Sparrendaches wird komplett eingepackt, sodass lediglich die Sparren punktuell (ca. alle 70 cm) als Wärmebrücken wirken. Ein weiterer Schwachpunkt ist die Kellerdecke. Anfänglich sollte planmäßig der Kellerboden „tiefer gelegt“ werden, um ausreichend Dämmung unter die Kellerdecke zu bringen. Dies wurde aus Kostengründen verworfen und eine PU-Dämmung WLG 025 gewählt. Die Kelleraußenwände werden bis 1,20 m unter Erdreich mit 30 cm Polystyrol gedämmt. Die Giebelwand wird beidseitig gedämmt. Die Mauerkrone wird bis in ca. 1,00 m Höhe mit 10 cm Polystyrol überdämmt.
Anschlussdetail | Psi-Wert [W/mK)] |
Kellerdecke/Außenwand; hofseitig; Kellerdecke | 0,130 |
Kellerdecke/Außenwand; hofseitig; Außenwand | -0,021 |
Dachanschluss, Nordseite | 0,017 |
Dachanschluss, Südseite | -0,032 |
Dachanschluss, Giebelseite; 10 cm Dämmstreifen; 1 m hoch | 0,070 |
Dachanschluss, Giebelseite; ohne Dämmstreifen | 0,170 |
Innenwand auf Kellerdecke | 0,283 |
Tabelle 2: Zusammenstellung der wichtigsten Wärmebrücken - Verlustkoeffizienten
Lüftungsanlage
Bei der Lüftungsanlage fiel die Entscheidung auf eine dezentrale Abluftwärmerückgewinnungsanlage mit Wärmerückgewinnungsgrad über 80%. Die Leitungsführung erfolgt in Abkofferungen im Bad und einer Deckenabhängung im Flurbereich (lichte verbleibende Höhe im Flur ca. 2,40 m) und konnte mit nur einem Kreuzungspunkt geplant werden. Das Lüftungsgerät wird direkt an der Außenwand platziert, um die „kalten Leitungen“ zu minimieren. Die einzelnen Räume werden mit Telefonieschalldämpfern akustisch entkoppelt. Bei der kleineren Wohnung mit ca. 52 m² müssen Volumenströme unter 50 m³/h realisiert werden. In diesem Segment besteht künftig noch Entwicklungsbedarf was die Größe der Geräte anbelangt.
Thermische Hülle / Luftdichtigkeit
Die Außenwände, die Kellerdecke, die oberste Geschoßdecke, die Treppenhausköpfe und die Kellerabgänge stellen die thermische Hülle dar. Der Treppenhauskopf kann komplett ummantelt werden. Ebenso werden die Abseitenwände im Keller gedämmt. Es verbleibt ein kleiner Treppeabsatz (Bodenplatte gegen Erdreich), der entnommen und neu mit 16 cm Dämmung aufgebaut werden muss. Die Luftdichtigkeitsebene wird mit dem Innenputz realisiert. Der wohnungsweise gemessene Luftwechselfaktor n50-Wert beträgt 0,49 1/h, somit ist der gemessene Wert kleiner als der für Passivhäuser notwendige Wert von 0,60 1/h.
BHKW - Heizung und Trinkwassererwärmung
Die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) konzipierten für das Wohngebiet mit insgesamt 108 Wohneinheiten eine Heizzentrale zur Nahwärmeversorgung, an die auch die beiden Passivhäuser angeschlossen werden. Kernstück der modular aufgebauten Energiezentrale ist ein gasmotorisch betriebenes Blockheizkraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 43 kWel und einer thermischen Leistung von 75 kWth zur Wärmegrundlastbereitstellung.
Die darüber hinaus benötigte Wärme wird durch einen Niedertemperaturkessel mit einer Heizleistung von 250 kWth erzeugt. Die neu aufgebaute Energiezentrale wurde in zwei Ausbaustufen realisiert. Im Jahr 2004 wurde für den 1. Bauabschnitt die Installation der Niedertemperaturkesselanlage vorgenommen. Im Februar/März 2005 erfolgte die Endausbaustufe mit dem erdgasbetriebenen BHKW-Aggregat.
Die Betriebsführung, Energiebeschaffung, Wartung und Instandhaltung der TWL-eigenen Energiezentrale mit den notwendigen Einrichtungen und Transportleitungen erfolgt bis zu den definierten Übergabepunkten der jeweils angeschlossenen Gebäude. Die TWL erfassen wohnungsweise durch geeichte Messeinrichtungen die gelieferte Heizwärme sowie das Warm- und Kaltwasser und rechnen diese zukünftig direkt mit jedem einzelnen Mieter der Wohnungsbaugesellschaft GAG Ludwigshafen ab.
Die zukunftsweisende Energieversorgung führt somit auch zu einer geänderten Aufgabenverteilung der TWL, vom Energieversorger zum ganzheitlichen Energiedienstleister.
Abbildung 3: BHKW des Energieanbieters TWL
Messungen
Das Projekt wird vom Passivhausinstitut in Darmstadt drei Jahre lang messtechnisch begleitet. Gemessen werden sowohl der Verbrauch aller 24 Wohnungen (Heizwärme und Warmwasser) als auch die Luftqualität in je drei ausgewählten Wohnungen. Die wissenschaftliche Auswertung dient zum einen der vergleichenden Erfolgskontrolle bezüglich des Primärenergieverbrauchs als auch dem Vergleich der Luftqualität. Dabei steht die CO2-Konzentration mit dem Pettenkofer-Grenzwert 1.500 ppm im Fokus. Die relative Luftfeuchte im Wohnraum ist im Zusammenhang mit den U-Werten der Außenbauteile als Parameter für mögliche Feuchtebelastung und damit verbundene Schimmelrisiken von Interesse. Als Parameter zur Beurteilung der Raumklimaqualität und der Wärmeverbräuche ist die Messung der Innentemperatur der Wohnungen Voraussetzung. Die Gebäudehülle wird nach Fertigstellung thermographisch untersucht.
Kosten
Es ist davon auszugehen, dass die geschätzte Kostenannahme für das Passivhaus von 1.075,00 €/m² eingehalten werden. Der Stand Januar 2006 weist eine Differenz von ca. 122,00 €/m² WF auf (bei einer gesamten Wohnfläche WF von 757,2 m²). Hierzu werden ca. 23,00 €/m² WF für Hauseingangstür, Abseitendämmung, Balkondetails usw. kommen, so dass Mehrkosten von ca. 145,00 €/m² WF entstehen werden. Für die 2-Zimmerwohnungen mit 52,30 m² sind dies ca. 7.600,00 € und für die 3-Zimmerwohnungen mit 93,90 m² ca. 10.700,00 €.
Vom Passivhaus zum Energiegewinnhaus
Die auf den südlich gelegenen Dachflächen installierte Photovoltaikanlage produziert jährlich 36.800 kWh Strom, das sind ca. 50 kWh/m²a. Energiegewinn und Energieverbrauch saldiert (50 – 15 = 35 kWh/m²a) ergibt einen Energieüberschuss von ca. 35 kWh/m²a.
Von der Planung zur Realisierung
Der Weg von der Planung zur Realisierung war weiter und steiniger als ursprünglich angenommen. Allen am Bauprozess Beteiligten wie zum Beispiel Hausbesitzer, Banken, Behörden, Architekten, Ingenieure, Handwerker und dergleichen wird ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft abverlangt. Jeder muss bereit sein, seine eigene Arbeit aber auch die Arbeit der Kollegen immer wieder in Frage zu stellen mit dem Ziel der technologischen, der ökologischen und ökonomischen Optimierung.
Ausblick
Bei konsequenter Anwendung ist das energieneutrale Wohnen für Jedermann erschwinglich. Die energetische Wirkung kann beachtlich sein, weil in allen größeren Städten tausende Wohnungen aus den Nachkriegsjahrzehnten zur Sanierung anstehen. Für das Handwerk, für Architekten und Ingenieure, ebenso für die Zulieferindustrie bedeutet dies eine neue Perspektive, ebenso für die Wohnungsunternehmen. Die Entwicklung ist auch eine Antwort auf die Energiekostensteigerung, die Energieknappheit und die Umweltproblematik.
*) Architekt Dr.-Ing. Walter Braun ist Technischer Vorstand a.D. und Dozent an der TU-Kaiserslauten, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]