Zeitschrift EE

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2006-01: Bauen und Sanieren

Realisierte Sanierungen

Nachdem sich der Passivhaus-Standard für Wohngebäude mittlerweile im Neubaubereich europaweit etabliert, fokussiert sich die konsequente Weiterentwicklung des Passivhauskonzeptes auf Nichtwohngebäude und vor allem auch auf den Bereich der Gebäudemodernisierung. Neben der Nutzung des gerade im Gebäudebestand vorhandenen großen Energieeinsparungspotenzials ist durch die Umsetzung der neuesten technischen Entwicklungen auch mit erheblichen Impulsen für die Bauwirtschaft zu rechnen.

Ökoeffiziente Gebäudesanierung
beim Bezirkspensionistenheim Weiz

Von Erwin Kaltenegger*

Ein solches umfassendes Modernisierungskonzept mit Passivhaus-Komponenten wurde im Bezirkspensionistenheim in Weiz durchgeführt. Als Ergebnis wird bei dem Gebäude mit Baujahr 1975 der Neubaustandard nach der Modernisierung deutlich übertroffen.

Warum energieoptimierte Gebäudemodernisierung?

Der Raumwärmebedarf in Gebäuden aller Art verursacht rund 1/3 des gesamten Endenergieverbrauchs. Sehr viele der bestehenden Gebäude sind architektonisch und bautechnisch von hoher Qualität und daher erhaltenswert. In diesen Gebäuden schlummert jedoch ein riesiges Energie-Einsparpotenzial (ca. 90% aller möglichen Einsparungen im Bereich „Bauen und Wohnen“). Da der durchschnittliche Heizwärmeverbrauch im Gebäudebestand um mehr als den Faktor 10 über dem eines nach Passivhaus-Standard realisierten Gebäudes liegt, ist es nicht nur energetisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll, dass der Passivhaus-Standard auch bei der Gebäudemodernisierung seinen Einzug findet. Auch wenn man die magische Energiekennzahl von 15 kWh/m²a in den meisten Fällen nicht, oder nur mit größtem (technischen- und finanziellen Aufwand) erreichten kann (Wärmebrücken usw.) gibt es keinen vernünftigen Grund in der Gebäudemodernisierung auf die hochwertigen Passivhaus-Komponenten zu verzichten. Zahlreiche passivhaustaugliche Produkte lassen sich sofort in der Gebäudemodernisierung einsetzen. Technisch ist man jedenfalls schon heute in der Lage den gesamten Gebäudebestand so gut zu verbessern, dass alle Energiedienstleistungen umweltverträglich und kostenoptimiert bereitgestellt werden können.

Energieeffizienz schafft Vorteile

Wo immer möglich, sollten Sanierungsmaßnahmen am Gebäude mit energetischen Modernisierungsmaßnahmen verbunden werden. Basiskomponenten für eine Reduzierung des Heizenergieverbrauchs um mindestens den Faktor 5 sind eine effiziente Systemlösung als Kombination von:

  • Effiziente Wärmedämmung der Gebäudehülle;
  • Wärmeschutzverglaste Fenster mit passiver Solarnutzung;
  • Wärmebrückenfreie Ausbildung aller Details mit hoher Wind- und Luftdichtigkeit;
  • Kontrollierte Be- und Entlüftung mit ausgeprägter Wärmerückgewinnung;
  • Moderne Heiztechnik;
  • Hervorragende Ausführungsqualität.

Diese Kriterien sind mit modernen Baustoffen, Techniken und System-Know-how erreichbar. Die neue Innenraumqualität in einem sanierten Gebäude, sowie die beispielhafte energetische Modernisierung als Beitrag zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz unterstreichen die Glaubwürdigkeit eines Bauherrn, der das Thema „Nachhaltigkeit“ als Leitbild in seine Philosophie aufgenommen hat. Imageverbesserung, Kompetenz und ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis sind Vorteile, die eine besondere Bedeutung haben können. Wichtig ist für den Erfolg, dass die Entscheidungsträger vom Gesamtnutzen energetischer Maßnahmen überzeugt sind.

Gebäudebestand vor der Sanierung

Der Gebäudebestand vor der Sanierung kann durch folgende Punkte charakterisiert werden: Das Gebäude ist ein Massivbau aus tragenden Stahlbetonscheiben, die Außenwände und Parapete bestehen aus Hochlochziegelmauerwerk und Außenwände des Kellergeschoßes bestehen aus Hochlochziegelmauerwerk bzw. aus Beton. Die Fassade ist hinterlüftet ausgeführt mit einer Verkleidung aus Weißeternitplatten. Die Außenwände sind mit 3 cm Mineralwolleplatten gedämmt, das Kellergeschoß ist gänzlich ungedämmt. Es wurden Einfachfenster aus Holz mit 2-Scheiben-Isolierverglasung eingesetzt.
Die Beheizung des Gebäudes erfolgt über Fernwärmeversorgung mit zentraler Warmwasserheizung und konventionellen Zweirohrsystem. Zur Wärmeabgabe sind Radiatoren mit Heizthermostaten montiert. Die Warmwasserbereitung erfolgt zum Teil mit einer thermischen Solaranlage mit Wärmepufferspeicher.
Vorgewärmte Luft wird durch Zuluftöffnungen bei den Heizkörpern in die allgemeinen Aufenthaltsbereiche geführt, die Absaugung der Abluft erfolgt über die Bäder - keine Wärmerückgewinnung.

Abbildung 1: Vor und nach der Sanierung

Das Sanierungskonzept

Als Entscheidungsgrundlage für den Auftraggeber wurde eine Studie mit sieben verschiedenen Szenarien, vom einfachen Fenstertausch bis zum reinen Passivhaus-Standard, erstellt. Jede Variante wurde unter folgenden Beurteilungskriterien bewertet:

  • Energieeinsparung und Wärmebrückenvermeidung,
  • Behaglichkeit,
  • Luft- und Wohnqualität,
  • Kosten.

Sieger wurde Variante 6 mit einer Reduktion des Heizwärmebedarfs für das Gebäude von 156,9 kWh/(m²a) um ca. 85% auf 24,3 kWh/(m²a) hervor. Folgende Maßnahmen wurden durchgeführt:

  • 16 cm Wärmedämmung der Außenwände,
  • 22 cm Wärmedämmung der obersten Geschossdecke,
  • 12 cm Wärmedämmung der Wände gegen unbeheizte Räume und Erdreich,
  • 12 cm Wärmedämmung der Kellerdecke,
  • Fenster erneuern (Fenster mit einem Uf Wert = 1,01 W/m²K), alle Fensterrahmen überdämmen (Gläser U=0,6 W/m²K, g=51%, warme Kante),
  • Zertifizierte Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung (Raumlüftung mit 70% Wärmerückgewinnung),
  • Vorgesetzte Fassade bei allen Loggien und Balkonen (U= 0,97 W/m²K).
Maßnahme
Reduktion in kWh/(m2a)
Effizienz in %
Dämmung Oberste Geschoßdecke (22,0 cm)
7,8
5,2
Dämmung Außenwand (16,0 cm)
25,3
19,1
Dämmung Außenwand gegen unbeheizten Raum (8 cm)
1,4
1,1
Dämmung Außenwand gegen Erdreich (8 cm)
0,1
0,1
Dämmung Kellerfußboden (8 cm)
1,1
0,8
Dämmung Kellerdecke (8 cm)
2,9
2,2
Dämmung Fußboden und Kellerdecke g. Außenluft (8 cm)
1,2
0,9
Dämmung Wärmebrücken
39,8
30
Fenster austauschen (NEH-Fenster) + vorgesetze Fassade
32,4
24,4
Wohnraumlüftung mit 70 % WRG
21,5
16,2
ERGEBNIS
132,6
100

Tabelle 1: Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen auf die Gesamtenergieeinsparung

Als ein sehr gewichtiges Entscheidungskriterium wurden die künftig zu erwartenden Jahresheizkosten im Vergleich mit den Investitionskosten gesehen, wobei sich in diesem Fall in ca. 18 Jahren die gesamten energetisch relevanten Investitionen durch die Heizkosteneinsparungen amortisieren werden. Ab diesem Zeitpunkt kommt man in die „Gewinnzone“ (nach 25 Jahren beträgt der Kostenvorteil bereits ca. 15.000.-€/a, siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Jahresheizkostenvergleich des Gebäudebestandes und einer sanierten Variante

 
vor Sanierung
nach Sanierung
Oberste Geschoßdecke
0,49 W/m²K
0,15 W/m²K
Außenwand (mittlerer U-Wert)
0,96 W/m²K
0,27 W/m²K
Außenwand gegen unbeheizten Raum
2,85 W/m²K
0,44 W/m²K
Außenwand gegen Erdreich
1,95 W/m²K
0,43 W/m²K
Kellerdecke
0,56 W/m²K
0,29 W/m²K
Kellerfußboden
0,72 W/m²K
0,29 W/m²K
Fußboden und Kellerdecke g. Außenluft
1,07 W/m²K
0,29 W/m²K
Fixverglasung 3-Scheiben
3,30 W/m²K
0,60 W/m²K
Fenster eingebaut
2,80 W/m²K
1,01 W/m²K
Vorgesetzte Fassade
-
0,97 W/m²K

Tabelle 2: Energetische Kennzahlen (U-Werte) der Außenbauteile nach der Sanierung

Abbildung 3: Ansicht des ganzen Gebäudes nach der Sanierung

Schlussfolgerungen

Schon die einzelwirtschaftliche Analyse unter den für die nächsten Jahrzehnte herrschenden Randbedingungen zeigt, dass das Qualitätsniveau des Passivhausstandards für die Bauteile und Komponenten von Neubauten und bei anstehenden Modernisierungen optimal ist, wenn man vollständige Lebenszykluskosten betrachtet. Bei allen Preisszenarien tritt aber der ökonomische Vorteil des Passivhaus-Standards vor, weil die Verringerung des Heizwärmebedarfs durch bauliche Maßnahmen und andere Effizienzmaßnahmen sinnvoll ist. Die konkrete Umsetzung der ökoeffizienten Gebäudemodernisierung im Bezirkspensionistenheim in Weiz zeigt, dass es sich dabei nicht um eine ferne Utopie, sondern um ein bereits heute realistisch umsetzbares Konzept handelt, welches Dank der Verfügbarkeit von Passivhausqualität sogar wirtschaftlich vernünftig und ratsam ist.
An dieser Stelle sollte auch der Auftraggeber, der Sozialhilfeverband des Bezirkes Weiz, entsprechend erwähnt werden. Ohne die Aufgeschlossenheit und die verantwortungsvolle Weitsicht aller Entscheidungsträger wäre dieses Projekt in dieser konsequenten Ausführungsqualität wohl kaum realisierbar gewesen.

Planungsteam:
Planung, Bauleitung: FOCUS Engineering GesmbH; Weiz
Projektarchitekt: DI. Erwin Kaltenegger
HLS-Planung: TB Ing. Walter Bierbauer, Hohenau an der Raab
Elektroplanung: TB Ing. Horst Fickel, Kirchberg an der Raab

*) Dipl.-Ing. Erwin Kaltenegger ist Architekt in Passail und beschäftigt sich seit 15 Jahren mit nachhaltigem, energieoptimierten Bauen und Sanieren von Gebäuden, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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