Zeitschrift EE

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2006-01: Bauen und Sanieren

Realisierte Sanierungen

Wenn wir uns den Gebäudebestand und den Energieverbrauch für Heizung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung in Europa mit dem Fokus auf energieeffiziente Gebäude betrachten, so erkennen wir, dass diese, meist nach 1980 erstellten Gebäude, nur ca. 20 % des Gebäudebestands und nur 5 % des Energieverbrauchs ausmachen.

Energetische Sanierung von Bildungsgebäuden
Überblick über realisierte Projekte aus dem IEA-ECBCS Annex 36

Von Heike Erhorn-Kluttig*

Um die Ziele des Kyoto-Protokolls zu erreichen, müssen wir uns darauf konzentrieren, den energetisch uneffizienten Gebäudebestand zu verbessern. Die Energieverbrauchsreduktion muss als wichtiger Bestandteil der Anforderungen bei der Planung einer Gebäudesanierung bei den Entscheidungsträgern verankert werden indem das Wissen über energiesparende Technologien und ihre intelligente Anwendung erhöht wird. Eine wirksame Art dies zu erreichen, ist, gute Beispiele aus der Praxis zu zeigen und deutlich zu machen, dass neben der Energieeinsparung auch eine Komfortsteigerung möglich ist. Ein anderer vielversprechender Weg ist die Bereitstellung von einfach anwendbaren Werkzeugen z.B. Computertools, die den Entscheidungsträgern in öffentlichen Ämtern und ihren technischen Mitarbeitern in der wichtigen ersten Planungsphase dabei helfen, die richtigen Entscheidungen hin zu energiesparenden Sanierungsmaßnahmen zu treffen.

Beispielhafte Sanierungen von Bildungsgebäuden

Das internationale Projekt „Annex 36“ der IEA ECBCS (Internationale Energieagentur, Energy Conservation In Buildings and Community Systems) beschäftigte sich mit der energetischen Sanierung von Bildungsgebäuden. Forscher aus 10 teilnehmenden Ländern aus Europa und den USA sammelten Informationen über Sanierungsmaßnahmen und Beispielgebäude und entwickelten einen Ratgeber für energiesparende Sanierungsmaßnahmen. Diese internetbasierte Computertool für Entscheidungsträger in öffentlichen Ämtern ist das Hauptergebnis des Annex. Eine der wichtigsten Grundlagen dafür ist die Sammlung und die Auswertung der Beispielgebäude, die auch in einem gesonderten Bericht präsentiert wird.
Es wurde ein Format entwickelt, das für die Präsentation aller Beispielgebäude herangezogen wurde. Dieses beinhaltet die folgenden Kapitel: Allgemeine Daten, Standort und Typologie, Gebäude und Anlagentechnik vor der Sanierung, Sanierungskonzept, Energieeinsparung, Nutzerbewertung, Kosten, gemachte Erfahrungen und Zusatzinformationen. Insgesamt sind im Bericht 25 Beispielgebäude enthalten: je fünf aus Deutschland (D) und Großbritannien (UK), je drei aus Dänemark (DK) und den USA (US), je zwei aus Finnland (SF), Frankreich (FR), Griechenland (GR), und Polen (PL) und einer aus Norwegen (N).

Technologien

Die in den Beispielgebäuden eingesetzten Sanierungsmaßnahmen sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Maßnahmen wurden in Übergruppen eingeteilt, je nach der durch sie angestrebten Funktion: Verbesserungen an der Gebäudehülle, Heizung, Lüftung, Kühlung, Sonnenschutz, Beleuchtung, etc. Die Nummer in der letzten Spalte gibt die Summe der Anwendungen in allen Beispielgebäuden für eine bestimmte Technologie an.

Sanierungsmaßnahmen bzw. Technologien Summe
Gebäudehülle Fenster 15
Dämmmaterial und Dämmsysteme 13
Fassadenbekleidung 1
Türen 6
Heizungsanlagen Raumheizung 8
Warmwasserbereitung 5
Energieträger 11
Regelung 14
Lüftungssysteme natürliche Lüftung 10
mechanische Lüftungsanlagen 8
hybride Lüftung 7
Regelung und Informationssysteme 12
Sonnenschutz und Kühlung Sonnenschutz und Blendschutz 8
Kühlung 5
Klimaanlagen 3
Regelung 5
Beleuchtung und elektrische Geräte Beleuchtungssysteme 11
elektrische Geräte 7
Tageslichtnutzung 8
Regelung 10
Betrieb Energieüberwachung

6

Betriebsoptimierung 1
Weiterbildung 2
Optimierung des Nutzerverhaltens 2

Tabelle 1: Überblick über die eingesetzten Sanierungsmaßnahmen

Die Zusammenstellung in Tabelle 1 zeigt, dass die eher traditionellen Sanierungsmaßnahmen am meisten angewendet wurden. Diese sind: zusätzliche Dämmung, wärmeschutzverglaste Fenster, neue effizientere Beleuchtung, Erneuerung und Steuerung der Heizungsanlage. Aber es wurden auch „neuere“ Konzepte wie z.B. natürliche bzw. hybride Lüftungssysteme und nutzerabhängige Lüftungssteuerung in mehr als 30 % der Projekte eingesetzt. In ca. 1/3 der Gebäude wurden Tageslichtnutzungskonzepte und verbesserte Steuerungen der Beleuchtung realisiert. Die restlichen Technologien, wie z.B. Erwärmung der Zuluft, innovative Dämmsysteme, Nutzung der passiven solaren Gewinne durch Atrien, passive Kühlstrategien, aktive Solarenergienutzung, Photovoltaik, etc. wurden nur in einzelnen Projekten angewendet.

Projektziele, Energieeinsparungen und Lüftungsstrategien

Die Projekte mit den höheren Energieeinsparresultaten sind im allgemeinen Projekte bei denen verschiedene Maßnahmen in einer ganzheitlichen Sanierung umgesetzt wurden und bei denen lange Amortisationszeiten nur eine Nebenrolle spielten. Im Gegensatz dazu gibt es Projekte, in denen kleinere Energieeinsparungen mit wenigen Sanierungsmaßnahmen erzielt wurden, da hier das Hauptaugenmerk auf eine wirtschaftliche Sanierung mit kurzen Amortisationszeiten von ca. fünf Jahren gerichtet wurde. Das Ziel für die dritte Gruppe an Projekten war z.B. die Verbesserung der Raumluftqualität, der Behaglichkeit oder der Beleuchtungsqualität. Die Energieeinsparung wurde nur als positiver Nebeneffekt angesehen. Abbildung 1 zeigt die Energieeinsparungen von ausgewählten Beispielgebäuden aus dem Annex 36.

Abbildung 1: Energieeinsparungen im Heizungs- und Strombereich in ausgewählten Beispielgebäuden aus dem Annex 36
Länder: D Deutschland, DK Dänemark, FR Frankreich, GR Griechenland, N Norwegen PL, Polen und USA

Die Energieeinsparungen in einigen Gebäuden sind beträchtlich. So betrugen die Heizenergieverbräuche in den dänischen und deutschen Projekten vor der Sanierung 200 bis 280 kWh/m²a und nach der Sanierung nur noch 50 bis 90 kWh/m²a. Die prozentuale Einsparung in den Projekten reicht von 75 % bei der Heizung und 100 % beim Strom bis zu 0 % (Heizung) und 15 % (Strom). Eine Anzahl Projekte (vor allem aus Deutschland und Dänemark) berichten über hohe Einsparungen mit 55 bis 75 % bei der Heizung und 30 bis 40 % beim Strom. Am anderen Ende der Skala befinden sich die Projekte aus Großbritannien und den USA mit begrenzten Einsparungen, d.h. 8 bis 20 % bei der Heizung und ca. 15 % beim Strom.
Beispiel in Dänemark
Das dänische Beispielgebäude Egebjerg Schule ist eine Schule, die in den 70ern in der Gemeinde Ballerup erstellt wurde (siehe Abbildung 2). Das Ziel der Sanierung war es, zu demonstrieren, dass eine energieeffiziente und ökologische Sanierung einer gewöhnlichen Schule aus den 70ern so durchgeführt werden kann, dass ein gesundes Innenklima und vernünftige Kosten erreicht werden können. Moderne Gebäudetechnologien sowie Heizungs- und Lüftungstechnologien wurden mit ausgewählten Materialien, natürlicher Lüftung und aktiver solarer Heizung kombiniert. Das Sanierungsprojekt wurde 1998 fertiggestellt.

Abbildung 2: Egebjerg Schule in Ballerup, Dänemark

Sanierungsmaßnahmen

Das Entwurfskonzept konzentrierte sich auf den Ersatz des bestehenden mechanischen Lüftungssystems durch ein natürliches Lüftungssystem und die Reduzierung der Wärmeverluste durch verbesserte U-Werte im Dach, der Fassade und der Fenster. Das vorhandene Flachdach wurde in ein leicht geneigtes Dach umgebaut. Dabei wurden durchschnittlich 20 cm Mineralwolle aufgebracht. Die Fassaden wurden komplett erneuert und beinhalten jetzt eine 20 cm starke Mineralwolldämmung. Die Fenster in den ausgewählten Teilen der Schule wurden durch neue Fenster mit Wärmeschutzverglasung mit einem U-Wert von 1,7 W/m²K ersetzt.
Ein neues Lüftungssystem wurde entworfen. Außenluft wird durch Rohre im Erdreich in einen Kriechkeller unter den Klassenzimmern geführt. Aus dem Kriechkeller strömt die Luft hinter den Heizkonvektoren in die Klassenzimmer, und wird durch die Konvektoren weiter erwärmt. Die Luft verlässt die Klassenzimmer über die Korridore in den doppelgeschößigen Aufenthaltsraum und strömt von dort im Dachbereich über den Lüftungskamin nach draußen. Der Lüftungskamin, auch Solarkamin genannt, funktioniert durch eine Kombination aus Winddruck und Auftrieb. Zwei separierte Kammern werden durch Sonneneinstrahlung erwärmt und werden geöffnet, wenn die Temperatur so hoch ist, dass ein ausreichender Auftrieb vorhanden ist. Dies wird vor allem im Sommer genutzt. Im Kriechkeller ist ein Ventilator untergebracht, der für einen leichten Überdruck sorgt, falls die natürlichen Auftriebskräfte für den Luftaustausch nicht ausreichen. Auf der Südfassade des zweistöckigen Gebäudes wurde eine sogenannte „Canadian Solar Wall“, ein passiver solarer Luftkollektor installiert. Vom Kollektor wird die Luft in den Kriechkeller geleitet und ersetzt die Luft aus den Erdkanälen im Winter, sobald sie eine höhere Temperatur aufweist.
Der Energieverbrauch vor der Sanierung betrug für die Heizung 181 kWh/m²a und danach nur noch 87 kWh/m²a. Der Stromverbrauch verringerte sich durch die Sanierungsmaßnahmen von 36 kWh/m²a auf 22 kWh/m²a.

Fragebogenerhebung

Dem Bereich der Schule, der für das Sanierungsprojekt ausgewählt wurde, wurde ein gleichgroßer Teil als Referenzfall gegenübergestellt. Alle Schüler und Lehrer beantworteten einen Fragebogen zum Raumklima, der vom Büro für Statistik und Forschung in Stockholm entwickelt wurde. Abbildung 3 enthält die Ergebnisse einer Hauptfrage bzgl. der Raumluftqualität. Das Diagramm zeigt eine deutliche Verschiebung der bewerteten Luftqualität von akzeptabel zu gut und von schlecht zu akzeptabel als Resultat der Sanierung. Die Auswertung aller Fragen ergab eine Gesamtverbesserung des Raumklimas im Vergleich zum Referenzfall.

Abbildung 3: Nutzerbewertung der Raumluftqualität mit einem Fragebogen

Der Energy Concept Adviser (ECA)

Das Hauptergebnis aus dem IEA ECBCS Annex 36 ist der „Sanierungsratgeber“, der Informationen zu energiesparenden Sanierungen für Entscheidungsträger in öffentlichen Ämtern bietet und ihnen dadurch Hilfestellung in der ersten Planungsphase gibt. Der Sanierungsratgeber besteht aus einem Teil zur Problemlösung mit konkreten Lösungsvorschlägen, einer Beispielsammlung mit über 30 Beispielgebäuden, einer Energieverbrauchsbewertung und schließlich einem Teil zur Entwicklung eines Sanierungskonzepts.
Der Energy Concept Adviser ist in englisch und seit Mitte September auch auf deutsch unter www.annex36.com bzw. www.annex36.de verfügbar, kann aber auch kostenfrei auf einer CD-Rom beim FraunhoferInstitut für Bauphysik bestellt werden (FraunhoferInstitut für Bauphysik, Herrn Hans Erhorn, Nobelstr. 12, D-70569 Stuttgart, Fax: +49-711-970-3399).

Ausblick

Die Arbeiten am Sanierungsratgeber werden derzeit in zwei weiteren internationalen Projekten weitergeführt. Das integrierte EU-Projekt „Bringing Retrofit Innovation to Application – BRITA in PuBs“ im 6. Rahmenprogramm erweitert die Beispielgebäude um neun internationale Sanierungen von öffentlichen Gebäuden und geht damit einen Schritt weiter, weg von den reinen Bildungsgebäuden hin zur Gesamtheit der öffentlichen Gebäude. Auch die Sanierungsmaßnahmen werden überarbeitet. Der neue IEA ECBCS Annex 46 wird ebenfalls den Energy Concept Adviser weiterentwickeln und den Berechnungsteil an die neuen internationalen CEN-Normen auf Grundlage der Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) anpassen.

Literatur:

  • www.annex36.com oder www.annex36.de (Internetseite von Annex 36).
  • Ove Mørck (editor), (2003), IEA ECBCS Annex 36 Case Study Reports. IEA ECBCS bookshop.
  • Hans Erhorn (editor), (2003), IEA ECBCS Annex 36 Energy Concept Adviser. Internetbasiertes Computertool für Entscheidungsträger.
  • www.brita-in-pubs.com (Internetseite von BRITA in PuBs).

*)Dipl.-Ing. Heike Erhorn-Kluttig ist Gruppenleiterin am Fraunhofer Institut für Bauphysik in Stuttgart, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.ibp.fraunhofer.de [^]

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