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2004-01: Erneuerbare Energien in Österreich

Thema

Vor 10 Jahren war es sicherlich nicht leicht, eine kommerziell fundierte Empfehlung für eine industriell geplante Produktionsanlage für Biodiesel zu geben. Zu jenem Zeitpunkt war diese umweltfreundliche und erneuerbare Energiequelle für den Transportbereich eher ein belächelter Exote. Und noch schwieriger war es im Jahr 1998, als der Rohölpreis auf ein Rekordtief von unter 10 US$/Fass gesunken war, die Pflanzenölpreise - und mit ihnen der Rapsölpreis - sich in schwindelnde Höhen entwickelt hatten.

Biodiesel: Dynamische Entwicklung rund um die Welt

Von Werner Körbitz*

In dieser Zeit von weit auseinanderklaffenden Rohstoffkosten und Treibstoffpreisen schrieben alle Biodieselproduzenten tiefrote Zahlen, kein Landwirt war bereit, in diesem Tief dem Non-Food-Produkt Biodiesel durch reduzierte Rapspreise zu helfen und die langfristige Entwicklung eines zweiten Standbeines für Pflanzenöle im Markt zu unterstützen. In der Zwischenzeit haben sich jedoch tiefgreifende Veränderungen ergeben.

Rohstoffversorgung

Die Basis der Rohstoffversorgung hat sich stark verbreitert und umfasst heute nicht mehr exklusiv Rapsöl, sondern auch Sonnenblumenöl (Frankreich), Sojaöl (USA, Argentinien), Palmöl (Malaysien, Indonesien) und Recyclingöle aus Gaststätten und Haushalten (siehe Abbildung 1). Biodiesel hat inzwischen weltweit Anerkennung als ein stark wachsendes und attraktives Marktsegment in der Pflanzenölvermarktung gefunden. Systematische Arbeit am Aufbau eines solchen Marktes wurde besonders in Deutschland geleistet /1/. In Österreich dümpelt jedoch die Rapsproduktion vor sich hin, die Chancen dieses neuen Non-Food-Marktes sind offensichtlich von der Landwirtschaftspolitik noch nicht erkannt worden.

Abbildung 1: Rohmaterialien für die Herstellung von Biodiesel
(© Austrian Biofuels Institute)

Verfahrenstechnologie

Die Verfahrenstechnologie für eine nachhaltig profitable Biodiesel-Produktion wurde in Österreich gezielt in enger Zusammenarbeit mit Firmen und Universitäten entwickelt. So steht z.B. die modernste Biodiesel-Anlage der Welt heute in Kentucky/USA und wurde auf der Basis der Technologie der Fa. BioDiesel International aus Graz geliefert. Auch hier scheinen sich die progressiven und im Ausland anerkannten Ideen mit umsetzungswilligen Investoren und Politikern in Österreich nicht getroffen zu haben.

Treibstoffnorm für Biodiesel

In der Entwicklung einer Treibstoffnorm für Biodiesel als Grundlage für eine vertrauensbildende Qualität und Kundensicherheit waren österreichische Experten stets an der Spitze zu finden. Sowohl die erste Rapsöl-Methyl-Ester-Norm (ON C 1190/1992) und die erste Fettsäure-Methyl-Ester-Norm (ON C 1191/1997) waren weltweit Schrittmacher und Grundlage für die Entwicklung einer europäischen Norm im CEN. Erst vor kurzem konnte der erste europäische Entwurf für eine Biodiesel-Norm mit dem Code prEN 14214 vorgestellt werden. Es überrascht daher nicht, wenn ASTM, die Normierungsorganisation der USA, auf Erkenntnisse der Österreicher gern zurückgreift. Der Einsatz aller involvierten österreichischen Fachleute findet insofern besondere Erwähnung, als all diese langwierigen und genauen Arbeiten ohne staatliche Förderungen und auf Grund der eigenen Überzeugung geleistet wurden.
Mit der Schaffung einer vertrauensbildenden Qualitätsgarantie war auch die Grundlage für Freigaben durch Hersteller von Dieselfahrzeugen geschaffen. Während viele Traktorfirmen auf Initiative der BLT Wieselburg zunächst schon im Jahr 1990 Freigaben erteilten (z.B. Steyr, Claas, John Deere, Massey-Ferguson, Same, Valmet, u.v.a.), so folgten bald andere Fahrzeughersteller im Nutzfahrzeug- und Personenfahrzeugbereich nach (z.B. BMW, DaimlerChrysler, MAN, Peugeot, Volkswagen, Volvo, u.v.a.). Auf Initiative der österreichischen NISSAN-Vertretung wurden vor kurzem auch für NISSAN-Modelle Freigaben erteilt.

Gezielten Marktsegmentierung

Für ein Produkt, welches stets nur einen geringen Marktanteil erobern kann, jedoch ganz klar definierte Marktvorteile vorweist, empfiehlt sich nach etabliertem Marketingwissen eine Strategie der gezielten Marktsegmentierung und individuellen Kundenansprache. Ein wunderbares Vorzeigebeispiel ist in der Stadt Graz zu sehen, wo dank der Initiative einiger Stadtpolitiker und Flotteningenieure ein Großteil der Busflotte mit Biodiesel auf der Basis von Recyclingölen sauber durch die Stadt fährt. Auf Grund dieser Idee hat sich inzwischen ein "Clean City Network" in der Europäischen Union gebildet, in welchem Erfahrungsaustausch betrieben wird, und für deren Betreuung das Österreichische Biotreibstoff Institut Vorarbeiten geleistet hat. Andere Städte in Österreich hingegen verhalten sich eher recht konservativ und verharren in alten Verhaltensweisen. Noch konservativer und völlig phantasielos im Sinne eines professionellen Marketings ist die von einigen Landwirtschaftspolitikern favorisierte "Zwangsbeimischung" zu fossilem Diesel, welche alle Produktvorteile von Biodiesel extrem verdünnt und eher einer Zwangsbeglückung mit einem garantierten Zwangsabsatz gleichkommt, sicherlich aber in keiner Weise damit mögliche Nutzen optimiert.

Ausbau der Produktionskapazitäten

Nach 1998 begann sich der Rohölpreis allmählich wieder nach oben zu entwickeln; die Erreichung eines Preises von 35 US$/Fass zeigte dramatisch auf, mit welch großen Unsicherheiten die großen Energieverbraucher konfrontiert sein können. Zugleich stabilisierten sich die Rapsölpreise auf einem reduzierten Niveau. Beide Entwicklungen gaben Anstoß und Anreiz für den Ausbau von Biodiesel-Kapazitäten in ganz Europa und weltweit. Im Ausbau der Produktionskapazitäten für Biodiesel führt Deutschland derzeit unangefochten, da dort durch die Einführung der Ökosteuer zusätzliche und geplante Anreize geschaffen wurden, um Biodiesel pur als 100%-Treibstoff attraktiv zu vermarkten. Deutschland wird in Kürze die Schwelle von 1,000.000 t Biodiesel überspringen, mit allen anderen europäischen Länder zusammen werden dann 2,000.000 t Biodiesel produziert, womit die Europäische Union weltweit die führende Biodiesel-Region wird (siehe Abbildung 2). Schon aber sind die USA dabei selbst beträchtliche Mengen von Biodiesel zu produzieren, Malaysia plant den Bau einer 500.000 t Biodiesel-Anlage, Australien will schnellstens auf diesen Zug aufspringen, und überraschenderweise gibt es in China sehr seriöse Projekte, die vom Österreichischen Biotreibstoff Institut nebst vielen anderen internationalen Anfragen professionell betreut werden. Richtig spannend jedoch wird der Beitritt zur Europäischen Union jener Länder sein, die über signifikant große landwirtschaftliche Flächen verfügen; Diese Länder würden aber damit nur zu einer weiteren agrarischen Überproduktion beitragen, wenn sie nicht rechtzeitig auf Non-Food-Produkte, also z.B. auf Biodiesel aus Ölsaaten, umsteigen und dadurch allen Landwirten der EU-25 ein zuverlässiges Einkommen sichern helfen. Dazu wird es allerdings weitblickender Agrar-, Energie- und Umweltpolitiker bedürfen, die über den nächsten Wahlkampf hinaus an einer prosperierenden EU-25 Interesse haben.

Abbildung 2: Entwicklung der Produktion von Biodiesel von 1991 bis 2003 weltweit
(© Austrian Biofuels Institute)

Maßnahmen in der Politik

Positive Anzeichen und Beispiele für gelungene Maßnahmen in der Energie-, Umwelt- und Agrarpolitik gibt es zur Genüge, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, sofern es nicht an Zivilcourage fehlt. Ausgerechnet in den als umweltfeindlich gebrandmarkten USA gibt es einen "Clean Air Act", der sich um saubere Luft in Städten kümmert; ausgerechnet in den USA gibt es den EPACT (Energy Policy Act), der Maßnahmen zur Sicherheit der Energieversorgung vorschreibt. Hier gibt es allerdings auch eine sehr erfreuliche Aktivität innerhalb der Europäischen Union zu berichten: Vor dem Hintergrund der in alarmierender Weise hohen und weiter zunehmenden Verwundbarkeit der Sicherheit in der Energieversorgung der EU-15 hat die Europäische Kommission und die DG-TREN (Generaldirektion für Transport & Energie) eine Initiative gestartet. Betreut vom Direktor für "Neue Energien", dem Österreicher Günther Hanreich, wird eine Direktive vorbereitet, die zunächst folgende Zielsetzungen formuliert: Obligater Marktanteil von 2% Biotreibstoffe im Jahr 2005 und 5,75% Marktanteil im Jahr 2010, wobei die Art der Durchführung sehr liberal der Kreativität und den Marktkräften in den Ländern und in der Europäischen Union überlassen wird. Unter Biotreibstoffe sind gemeint: Biodiesel für den Dieselmotor und Bioethanol für den Benzinmotor. Das Österreichisches Biotreibstoff Institut ist an vorderster Stelle mit dabei diesen Entwurf für eine Direktive auszuarbeiten.
Im Sinne eines möglichst breiten Brainstormings und einer in der Europäischen Union notwendigen demokratischen Beteiligung können interessierte Leser Eingang in die Gestaltung dieser Direktive finden. Bitte senden Sie Ihre Ideen an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Literatur:
/1/ Körbitz, W., Internationale Energieagentur - Studie "Biodiesel Success Story Germany-2001", erhältlich beim Österreichischen Biotreibstoff Institut unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

*) Werner Körbitz ist Vorsitzender des Österreichischen Biotreibstoff Instituts - ÖBI, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.biodiesel.at [^]

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