Zeitschrift EE

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2001-01: Erneuerbare Energien in der Entwicklungszusammenarbeit

Entwicklungspolitik und Energie

Es ist eine Binsenwahrheit: Die ausreichende, sichere und umweltschonende Energieversorgung ist unbestritten ein Grundpfeiler für wirtschaftliche und soziale Entwicklung, nicht nur bei uns in den Industrieländern, sondern gerade auch in den Ländern der Dritten Welt. Ohne sie ist eine Verbesserung der Lebenssituation und Verringerung der Armut, das wichtigste Anliegen der multilateralen und bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, nicht denkbar. Zwei Milliarden Menschen haben aber laut Weltbank keinen Zugang zu Elektrizität und hängen ausschließlich von traditionellen Energieformen wie Brennholz und Viehdung ab. Die Versorgungsschwierigkeiten sind v.a. im ländlichen Raum enorm.

Sonnenenergie entwicklungspolitisch betrachtet

Von Erwin Künzi*

Wachsender Energiebedarf, wachsende Umweltprobleme

Der gegenwärtige Bedarf an Energie ist zwar noch weit von dem der Industrieländer entfernt. Das Wirtschaftswachstum, die rasch wachsende Bevölkerung und die steigenden Konsumansprüche stellen die Entwicklungsländer aber vor eine große Herausforderung. Man rechnet mit einer jährlichen Zunahme des Energiebedarfs von mehr als 2,5 %. Bei gleichbleibendem Trend wird im Jahr 2015 der Energiebedarf der Entwicklungsländer den der Industrieländer übersteigen.

Abbildung 1: Der wachsende Brennholzverbrauch führen zur Bodendegradierung und verstärkter Bodenerosion. Die Lebensgrundlagen der ländlichen Bevölkerung können dadurch irreversibel zerstört werden.

Die Zahlen verdeutlichen, wie wichtig Investitionen im Energiesektor sind. Es liegt auf der Hand, dass dabei neben der allgemeinen volkswirtschaftlichen Herausforderung auch massive Umweltprobleme auftreten - regionale und globale. Denn in erster Linie werden zur Deckung des gegenwärtigen und künftigen Bedarfs fossile Brennstoffe und Biomasse als Primärenergieträger eingesetzt. Neben den unmittelbaren Umweltbelastungen wie zum Beispiel die Verschlechterung der örtlichen Luftqualität u.a., sind negative Auswirkungen auf das Erdklima vorprogrammiert. Die globalen Treibhausgasemissionen werden weiter steigen. Der Löwenanteil dieser Steigerung wird allerdings auf das Konto weniger Entwicklungsländer wie Indien, China, die Staaten der ehemaligen Sowjetunion und die Schwellenländer Südostasiens und Lateinamerikas fallen. Diese Aussichten sind unerfreulich im Hinblick auf die weltweit angestrebte Reduktion dieser Emissionen.
In Afrika südlich der Sahara und den ärmsten Ländern und Regionen der Welt, die teilweise bis zu 90% ihres Bedarfs aus Brennholz, Holzkohle, Viehdung und landwirtschaftlichen Abfällen schöpfen, liegen die problematischen Auswirkungen auf einer etwas anderen Ebene. Der wachsende Brennholzverbrauch, und die zunehmende Verbrennung von Viehdung und Ernteabfällen führen zur Bodendegradierung und verstärkter Bodenerosion. Die Lebensgrundlagen der ländlichen Bevölkerung können dadurch irreversibel zerstört werden.
Die massive Abholzung der tropischen Wälder wird übrigens oft fälschlicherweise in Zusammenhang mit dem Brennholzverbrauch gebracht. Der Durst nach Acker- und Weideland bzw. die kommerzielle Nutzung von Edelhölzern sind hauptsächlich dafür verantwortlich. Der Einschlag zur Brennholzgewinnung fällt hier kaum ins Gewicht.

Sonnenenergie ist vielversprechend

Welche Lösungen zur umweltschonenden Verbesserung der Energieversorgung in den Entwicklungsländern bieten sich an? Denken wir an die geringe Dichte der Versorgungsnetze und die schlechte infrastrukturelle Erschließung weiter Landstriche sowie die hohe Intensität und Dauer der Sonneneinstrahlung in den Tropen, scheint es äußerst sinnvoll, auf eine verstärkte Nutzung von Sonnenenergie zu setzen: Die Ressource ist unerschöpflich; Sonnenenergie ist sauber und kann vielfältig genutzt und eingesetzt werden. Je nach Nutzungssystem ist die Technik vergleichsweise einfach und unterhaltsfreundlich. Die in vielen Ländern noch offenen, unvollständigen Strukturen und Regelungen im Energiesektor könnten den Aufbau eines "maßgeschneiderten", dezentralen Versorgungssystems erleichtern.
Bei so vielen, überzeugenden Vorzügen ist es nicht verwunderlich, dass die Entwicklungszusammenarbeit die Verbreitung des Einsatzes von Sonnenenergie grundsätzlich befürwortet. Gezielte Förderprogramme, Kapazitätsbildende Maßnahmen und partnerschaftliche Zusammenarbeit zur positiven politischen und administrativen Weichenstellung in den Entwicklungsländern sind gefordert, damit regenerierbare Energien v.a. wirtschaftlich konkurrenzfähiger werden. Eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen braucht jedoch Zeit und stößt auf erhebliche Widerstände. Auch in den Industrieländern sind wir auf Grund nationaler Interessen noch weit von einer umfassenden, umweltgerechten Energiepolitik entfernt. Förderprogramme wiederum benötigen Geldmittel, die gerade auch in Österreich für Anliegen der Entwicklungszusammenarbeit ohnehin sehr knapp sind.

Kyoto-Mechanismen wirken nur bedingt fördernd

Neue Impulse zur breiteren Nutzung regenerierbarer Energien erhoffte man sich u.a. von den Verhandlungen in Den Haag zum Kyoto-Protokoll und der UN-Rahmenkonvention zum Klimawandel, die letzten November stattgefunden hatten. Im Zentrum stand die Ausgestaltung der Flexibilitätsmechanismen, die den Industrieländern die Einhaltung der vereinbarten Emissionsziele und die nachhaltige, umweltschonende Entwicklung in den Ländern der Dritten Welt erleichtern sollten. Die größten Hoffnungen setzte man in den "Clean Development Mechanismus" (CDM). Die Reduktion der Treibhausgasemissionen, die über Entwicklungsprojekte mit Geldern der Industrieländer herbeigeführt wird, wäre in Form von Zertifikaten handelbar und könnte vom Erwerber an die Reduktionsbemühungen im eigenen Land angerechnet werden. Wie erwartet, kam es auch diesmal leider zu keiner endgültigen Einigung unter den Vertragsparteien. Die Differenzen bei der konkreten Ausgestaltung konnten in Den Haag nicht genügend ausgeräumt werden, und wir werden die nächsten Verhandlungen abwarten müssen, bis Entwicklungsprojekte im Rahmen des CDM umgesetzt werden.
Der CDM - ein entwicklungspolitisch umstrittenes Instrument, da nicht die Interessen der Entwicklungsländer, sondern primär die der Industrieländer verfolgt werden - würde fraglos zusätzliche Gelder zu Gunsten regenerierbarer Energien freimachen, besonders für umfangreichere Investitionen. Umweltschonende Systeme würden politisch und wirtschaftlich deutlich attraktiver und billiger werden.
Die Menschen in den Entwicklungsländern sind auf billige Energie angewiesen. Da CDM-Projekte aber v.a. dort lukrativ sind, wo das Verhältnis zwischen finanziellem Aufwand und erzielter Reduktion am besten ist, würden allerdings nur in Ausnahmefällen Sonnenenergieanlagen von diesem Instrument profitieren. Gegenüber einer Umrüstung kalorischer Kraftwerke auf den neuesten Stand der Verbrennungstechnik oder dem Ausbau von Wasserkraft zieht Sonnenenergie in dieser Hinsicht eindeutig den kürzeren. Solaranlagen müssen wesentlich billiger produziert werden können, was vom technologischen Fortschritt und der dadurch erzielbaren verstärkten Anwendung abhängig sein wird.

Sonnenenergie im Rahmen einer Gesamtstrategie

Aus einer umfassenden Perspektive hat die Sonnenenergie grundsätzlich entwicklungspolitisches Potenzial und kann einen wichtigen Beitrag leisten, die Energie- und Umweltsituation in den Entwicklungsländern in den Griff zu bekommen. Strategisch stützt sich die internationale Entwicklungszusammenarbeit im Energiesektor im wesentlichen auf 4 Bereiche :
1. Wo ausgedehnte Versorgungsnetze bestehen, bereiten neben den hohen Emissionen die schlechte Effizienz bei der Energieproduktion und beim Verbrauch sowie die hohe Versorgungsunsicherheit die größten Sorgen. Industrie und Gewerbe leiden unter letzterem ganz besonders. Hohe Spannungsschwankungen, Stromausfälle und -rationierungen sind an der Tagesordnung. Effizienzsteigerungen bergen deshalb bereits immenses Spar- und Emissionsreduktionspotential. Schwerwiegende Versorgungsengpässe ließen sich dadurch überwinden, der Schadstoff- und Treibhausgasausstoß erheblich drosseln. Einfachste Maßnahmen auf betrieblicher Ebene können bereits zu erheblichen Einsparungen führen. Entsprechende Beratung, die Unterstützung beim Aufbau verbesserter Betriebsstrukturen und -strategien sowie Ausbildungsförderung gehören deshalb zu den bedeutendsten und wirksamsten Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit.
2. Die Substitution herkömmlicher Energie in städtischen Zentren durch regenerierbare Alternativen, zum Beispiel durch kleinere Sonnenenergieanlagen, ist vom Umweltwirkungspotential her betrachtet demgegenüber zwar zweitrangig, aber keineswegs uninteressant. Besonders Betriebe im Dienstleistungs- und Gesundheitsbereich, die sich über Dieselaggregate zusätzlich mit Strom versorgen müssen und sich Ausfälle nicht leisten können, profitieren längerfristig von Investitionen in eigene Anlagen. Die besten Prognosen bestehen bei der thermischen Warmwasseraufbereitung für städtische Hauhalte. Der Verbrauch an Strom, fossilen Energieträgern oder Biomasse kann erheblich reduziert werden, Kosten und Emissionen werden gesenkt. Die Entwicklungszusammenarbeit weltweit versucht, angepasste Fördermodelle zu unterstützen und den Aufbau von Beratungseinrichtungen und institutionellen Kapazitäten in diesem Zusammenhang zu fördern. Dazu gehört zum Beispiel die technologische Hilfe und Schulung regionaler Gruppen, Kooperativen, etc. zur technischen Verbesserung und Vermarktung von lokal hergestellten Anlagen.

Abbildung 2: Große Potenziale bestehen bei der thermischen Warmwasseraufbereitung für städtische Hauhalte. Die Entwicklungszusammenarbeit versucht, technologische Hilfe bereitzustellen sowie angepasste Fördermodelle und die Vermarktung von lokal hergestellten Anlagen zu unterstützen.

3. In den ländlichen Regionen steht der Ausbau der Elektrifizierung und das Brennholzproblem im Vordergrund. Kleinwasserkraftwerke, photovoltaische und andere Anlagen auf der Basis regenerierbarer Energie werden diskutiert und teilweise auch seit längerem propagiert. In erster Linie um Gesundheitseinrichtungen, Schulen und Kleingewerbe zu versorgen, sowie für den Betrieb von Wasserpumpen und um Strom für Licht und Radio in die Haushalte zu bringen. Die wesentlichste Errungenschaft dabei ist der Gewinn an Lebensqualität. Der Druck auf die biogenen Ressourcen lässt sich mit diesen Maßnahmen hingegen kaum verringern. Denn Strom kann Holz als Brennstoff im ländlichen Raum nur in seltenen Fällen ersetzen. Kochen und Heizen mit Elektrizität würde größere kulturelle und soziale Veränderungen und vergleichsweise hohe finanzielle Investitionen der einzelnen Haushalte erfordern. In dieser Hinsicht sind thermische Nutzungsformen wie die Warmwasseraufbereitung durch einfache Kollektoren oder der Einsatz von Solarkochern vielversprechender als photovoltaische Systeme. Benutzen die Haushalte zum Beispiel mittels Kollektoren vorgeheiztes Wasser zum Kochen, sind Einsparungen an Brennholz beim jeweiligen Kochvorgang von bis zur 50% denkbar. In der Entwicklungszusammenarbeit haben allerdings oft andere Maßnahmen einen höheren Stellenwert: die effizientere Nutzung der Biomasse, die Förderung agroforstwirtschaftlicher Maßnahmen, Aufforstung und die Pflanzung von "Energiewäldern". Der Vorteil der letzteren liegt in den zusätzlichen positiven Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion oder Einkommenssituation.
4. Größtes Gewicht hat die begleitende Unterstützung zur Formulierung und Umsetzung von politischen Grundlagen, welche die Rahmenbedingungen für Maßnahmen in den drei vorangegangenen Bereichen positiv beeinflussen. In fast allen Ländern laufen im Rahmen von multilateralen Initiativen, unter der Leitung von Weltbank (Stichwort "Comprehensive Development Framework CDF"), UNDP, UNEP oder der OECD ("National Strategies for Sustainable Development NSSD") verschiedene Bestrebungen in dieser Richtung.

Vom "Problem" ausgehen, nicht von der "Lösung"

Wunder in der Verbreitung von Solarenergie sind vorläufig keine zu erwarten - weder über multilaterale Vereinbarungen, noch über die bilaterale technische Zusammenarbeit. Sie ist Teil eines notwendigerweise umfassenderen Pakets aus diversen, aufeinander abgestimmten Maßnahmen. Unter anderem gilt es, "Least Cost"-Lösungen zu finden. Unter den gegebenen Bedingungen werden solartechnische Anlagen, v.a. photovoltaische, nur in bestimmten Nischen diesem Prinzip gerecht. Das schmälert den Sinn und die Wirkung von Förderungen in keiner Weise. Ausgiebige entwicklungspolitische Erfahrungen in der Anwendung von Sonnenenergie bestehen denn auch - wie oben angedeutet - bereits seit Jahren, vielfach sehr positive und ermutigende, leider aber auch ernüchternde. Die ernüchternden Resultate haben vielfältige Gründe und sind keineswegs in jedem Fall auf die meist ins Feld geführten hohen Kosten oder technischen Mängel zurückzuführen. Eine Analyse der deutschen GTZ von photovoltaischen Systemen in Gesundheitseinrichtungen in Afrika zeigte beispielsweise, dass falsche Erwartungen von Bedürfnissen, Zielen und Möglichkeiten gegenüber den Anlagen Vorbehalte schürten und folglich deren Akzeptanz bei Betreibern und Entscheidungsträgern beeinträchtigte.
Engagement und Expertise hin oder her, häufig stolpern Planer über einen typischen Fallstrick in der Entwicklungszusammenarbeit. Wie bei vielen Interventionen, die auf eine Förderung innovativer Technologien abzielen, stößt man auch bei Sonnenenergieprojekten oft auf Situationen, in denen nach dem Prinzip "Lösung sucht Problem" gearbeitet wurde, anstatt umgekehrt. Mit großem Enthusiasmus und Eifer wird eine "objektiv" überzeugende Lösung propagiert, die sich nachträglich sehr oft als nicht an die spezifische Situation angepasst erweist. An erster Stelle will das Problem "verstanden" werden. Nicht nur in seiner technischen und umweltbezogenen, sondern auch in seiner politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Dimension, v.a. aber aus der Sicht und Situation der Betroffenen. Nur unter dieser Bedingung kann das Potenzial, das in der Nutzung von Sonnenenergie steckt, sinnvoll und wirkungsvoll genutzt werden.

*) Mag.Erwin Künzi ist Konsulent für Ökologie und Umweltfragen der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten. http://www.gpr.at [^]

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