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2012-04: Zukunftsfähige Kollektortechnologien

Kollektorkonzepte jenseits des Stands der Technik - Möglichkeiten und Herausforderungen

Abbildung 1: Teiltransparenter Fassadenkollektor „COLOMBRA“ Teilergebnis aus EU-Projekt „Cost-effective“www.cost-effective-renewables.eu

Solarthermische Kollektoren weisen heute nach jahrzehntelanger Entwicklung eine hohe Qualität bezüglich Effizienz und Zuverlässigkeit auf. Also existiert kaum noch Bedarf für weitere Forschung, möchte man meinen. Jedoch gibt es Konzepte jenseits des Stands der Technik, die manches hinterfragen, neue Möglichkeiten bieten oder neue Märkte adressieren. Sie bieten Raum, um die Solarthermie neu zu entdecken.

Von Michael Hermann *

In den vergangenen Jahrzehnten wurden Solarkollektoren stetig weiterentwickelt. Sowohl Effizienz als auch Fertigungsqualität und Langzeitbeständigkeit haben sich im Lauf der Jahre wesentlich verbessert. Insbesondere bei Produkten, die nach Solar Keymark zertifiziert sind, kann somit von einem qualitativ hohen Stand der Technik ausgegangen werden. Derzeitige Entwicklungen konzentrieren sich vor allem auf die Senkung der Kosten, die einerseits durch weitere Anpassungen in der Fertigung und andererseits durch Materialsubstitution, insbesondere durch Ersatz von Kupfer durch Aluminium oder Stahl, erreicht werden kann. Auch Kunststoffkollektoren sind seit vielen Jahren Gegenstand der Forschung. Neben dem Kollektor weist vor allem die Systemtechnik ein hohes Kostensenkungspotenzial auf. Aufgrund der bereits hohen Effizienz und der derzeitigen Fokussierung auf die Kostenreduktion stellt sich die Frage, inwiefern hier noch Raum für neue Kollektorkonzepte jenseits des Stands der Technik ist und – wenn ja – welche Möglichkeiten sie bieten und welche Herausforderungen diese neuen Ansätze mit sich bringen. Einige Antworten dazu sollen in diesem Artikel gegeben werden.

Neue Fertigungsverfahren und Materialien

Aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise wurde in den vergangenen Jahren zunehmend Kupfer durch Aluminium ersetzt. Nachdem zunächst nur die Absorberbleche ersetzt wurden, sind inzwischen auch Absorber verfügbar, die vollständig aus Aluminium bestehen. Auch kommerzielle Alternativen zur klassischen Blech-Rohr-Konstruktion existieren bereits (siehe z. B. www.savosolar.fi und www.hydro.com). Am Fraunhofer ISE wird seit mehreren Jahren an unterschiedlichen Konzepten zur Entwicklung „integrierter Absorber“ gearbeitet, bei denen die absorbierende Fläche und die Kanäle eine Einheit bilden. Dabei werden verschiedene Materialien – vor allem Aluminium und Stahl – sowie mehrere Fertigungsverfahren untersucht. Beispiele aus dem EU-Forschungsprojekt BIONICOL (www.bionicol.eu, [2]) sowie aus dem deutschen Forschungsprojekt STAHLABS (www.stahlabs.de, [4]) sind in Abbildung 2 zu sehen. In beiden werden die am Fraunhofer ISE entwickelten FracTherm®-Kanalstrukturen [1] eingesetzt. Die Herausforderung besteht dabei darin, die Randbedingungen, die durch den Fertigungsprozess und die Materialien gegeben sind, mit den Anforderungen an einen guten Solarabsorber in Einklang zu bringen [3]. Des Weiteren muss beachtet werden, dass auf diese Weise hergestellte Absorber entweder durch Fügen einer Halbschale an ein bereits beschichtetes Absorberblech gebildet oder aber nach der Fertigung als Ganzes spektralselektiv beschichtet werden müssen. Darüber hinaus müssen Konzepte für die Einbindung von Sammelkanälen gefunden werden, und schließlich ist auch hier die Minimierung der Gesamtkosten zu berücksichtigen.

Abbildung 2: Aluminium-Rollbond-Absorber mit FracTherm®-Kanalstrukturen (links und Mitte), Absorbermuster aus Stahl mit walzplattierten Kupferauflagen (rechts)

Wenngleich der Schritt von konventionellen zu integrierten Absorbern schon etliche Fragen aufwirft, bedeutet dies noch keinen Paradigmenwechsel für die Branche, weil letztlich nur ein Absorber durch einen anderen ersetzt wird und sich dadurch für den Endkunden wenig ändert. Es gibt jedoch auch Ansätze, die einen Schritt weiter gehen, indem sie Gewohntes hinterfragen und den Kollektor „neu erfinden“.

Gewohntes hinterfragen – den Kollektor neu erfinden

Muss ein Kollektor angesichts der heute erreichten Wirkungsgradkennlinien und Zuverlässigkeit neu erfunden werden? Nein, er muss nicht, aber er kann. Wie bereits dargestellt, weisen Kollektoren nach dem Stand der Technik eine hervorragende Qualität auf. Dennoch ist es mitunter schwierig, den Kunden von einer Investition in eine Solarthermieanlage zu überzeugen, insbesondere, wenn diese für eine hohe solare Deckungsrate ausgelegt und gegebenenfalls an der Fassade installiert werden soll. Gibt es neben systemtechnischen Verbesserungen wie Speichertechnologie und Wärmenetzeinbindung auch Möglichkeiten, den Kollektor selbst attraktiver und wirtschaftlicher zu machen?

Ein Schlüssel dafür kann in der Multifunktionalität liegen. Wenn es gelingt, den Kollektor nicht als reine „Black Box“ auf dem Dach zu betrachten, die pro Quadratmeter einen möglichst großen Ertrag zu minimalen Kosten erwirtschaften soll, sondern ihn vielmehr als gebäudeintegriertes, multifunktionales Bauteil zu gestalten, können gegebenenfalls sehr interessante Produkte entstehen, die bezüglich Ästhetik und Wirtschaftlichkeit vorteilhaft sein können. So gibt es mehrere Konzepte teiltransparenter Fassadenkollektoren, die zusätzliche Funktionen aufweisen wie z. B. Tageslichtnutzung, Durchsicht und winkelselektiven Sonnenschutz (z. B. www.robinsun.com, www.wicona.de, www.ritter-xl-solar.com). Auch am Fraunhofer ISE wird an derartigen Konzepten geforscht (Abbildung 1). Wichtig ist dabei, dass man es nicht mehr nur mit einem Solarkollektor, sondern auch mit einer transparenten Gebäudekomponente zu tun hat, und beide müssen bezüglich ihrer Eigenschaften charakterisiert werden, d. h. beispielsweise durch die Wirkungsgradkennlinie und den Einstrahlwinkelkorrekturfaktor (IAM) einerseits und den g-Wert und den U-Wert andererseits. Eine anspruchsvolle Aufgabe besteht auch darin, derartige Kollektoren physikalisch zu modellieren, um ihr Verhalten im Gebäudekontext simulieren zu können ([5], [6]). Abgesehen von den technologischen Herausforderungen sind hier aber noch ganz andere Hürden zu überwinden; die gesamte Entwicklungs-, Produktions- und Vermarktungskette eines klassischen Solarthermiesystems funktioniert in diesen Fällen nicht mehr. Da diese Komponenten integrale Bestandteile von Gebäuden sind, müssen sie von vornherein als solche betrachtet werden. Sie sollten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten bewertet werden und dabei auch die Lebensdauer sowie die architektonische Qualität einbeziehen. In [7] sind zahlreiche Hinweise zur architektonischen Integration und zum Entwurf solarthermischer Systeme mit gelungenen Praxisbeispielen enthalten.

Um zu neuen Kollektorkonzepten zu gelangen, ist es mitunter notwendig, Gewohntes zu hinterfragen. So wird beispielsweise in dem deutschen Forschungsprojekt TABSOLAR daran gearbeitet, multifunktionale, durchströmbare Bauelemente aus Ultrahochleistungsbeton (Ultra High Performance Concrete, UHPC) zu entwickeln (Abbildung 3). Solche Elemente können eine thermisch aktive (von Fluid durchströmt), thermisch passive (integrierte Wärmedämmung), statische (tragende Wand) sowie gestalterische (Struktur, Farbe) Funktion aufweisen. Durch Simulationen konnte bereits gezeigt werden, dass ein Solarabsorber aus einem solchen Material trotz niedriger Wärmeleitfähigkeit bei geeigneter Geometrie einen hohen Kollektorwirkungsgradfaktor F‘ erreichen kann (Abbildung 4). Außerdem konnte am Fraunhofer ISE bereits erfolgreich eine spektralselektive Beschichtung auf ein UHPC-Substrat aufgebracht werden.

Abbildung 3: Vision eines multifunktionalen Bauelements aus Ultrahochleistungsbeton (UHPC)

Abbildung 4: Temperaturverteilung eines Absorbers aus Ultrahochleistungsbeton (UHPC) entlang der Oberfläche (oben) und im Querschnitt sowie ermittelter Kollektorwirkungsgradfaktor F‘ (unten). F‘ ist dabei ein Maß für die thermische Effizienz eines Solarabsorbers.

Eine weitere Möglichkeit, Gewohntes zu hinterfragen, besteht darin, sich über den Installationsort und die Gestaltung des Kollektors Gedanken zu machen (Abbildung 5). So können freistehende Designkollektoren, die z. B. auf einer Liegewiese eines Hotels installiert werden, interessante neue Märkte erschließen, in denen auch höhere Preise keine zwangsläufige Hürde darstellen. In der Photovoltaik sind ähnliche Produkte, z. B. „Solarschirme“, bereits marktverfügbar (z. B. www.kopf-solarschiff.de).

Abbildung 5: Entwurf eines freistehenden Designkollektors als Überdachungselement

Bezüglich der Integration von Solarthermie in der Fassade wird seitens der Architekten mitunter kritisch gesehen, dass zumindest im privaten Wohnungsbau große dunkle Glasflächen oft nur schwer mit den Wünschen der Bauherren bei gleichzeitig hoher architektonischer Qualität in Einklang zu bringen sind. Die derzeitige Alternative unabgedeckter Kollektoren impliziert aber automatisch niedrigere Wirkungsgrade und Temperaturniveaus. Daher stellt sich die Frage, welche Freiheitsgrade sich dem Entwickler bieten, um doch beide Ziele – hohe Effizienz und hohe architektonische Qualität – in Einklang zu bringen. Dazu ist das Thema „Effizienz“ genauer zu beleuchten.

Niedrigen Wirkungsgrad durch größere Fläche kompensieren? – Kommt darauf an!

Bei einer Solarthermieanlage gibt es gegenüber der Photovoltaik einen fundamentalen Unterschied, der in der Thermodynamik begründet ist. Neben dem Wirkungsgrad, der die nutzbare Energiemenge ins Verhältnis zur Einstrahlung setzt, ist hier auch die „Qualität“, d. h. die Exergie bzw. das erreichbare Temperaturniveau von Bedeutung. Während ein PV-Modul selbst bei geringster Einstrahlung elektrischen Strom, also maximale Exergie, erzeugt und nur die „geerntete“ Menge gering ist, besteht bei der Solarthermie eine Kopplung zwischen Wirkungsgrad und Temperaturniveau, weshalb auch kein einzelner Wirkungsgrad, sondern eine Wirkungsgradkennlinie angegeben wird. Es ist wichtig, bei den Bilanzgrenzen zwischen Kollektor und gesamter Fassade zu unterscheiden. So sind auch Solarthermiekonzepte vorstellbar, bei denen z. B. in ein Wärmedämmverbundsystem integrierte Streifenkollektoren zwar zu einem geringen Ertrag pro „architektonisch relevanter Fläche“ Aarch, aber dennoch hohen erreichbaren Temperaturen führen (Abbildung 6).

Abbildung 6: Möglicher prinzipieller Aufbau einer strukturierten Solarthermiefassade (links) und zugehörige Flächendefinitionen (rechts)

Abbildung 7: Leistungskurven mit Bezug auf die Aperturfläche Aap (links) und auf die architektonisch relevante fläche Aarch (rechts); Tm = mittlere Fluidtempertatur, Ta = Umgebungstemperatur

Abbildung 7 zeigt Diagramme mit Leistungskurven für einen typischen abgedeckten und einen typischen unabgedeckten Solarkollektor bei zwei unterschiedlichen Einstrahlungen. Ein Diagramm bezieht sich auf die Aperturfläche, eines auf die „architektonisch relevante Fläche“ Aarch, die auch den Bereich zwischen den angenommenen Streifenkollektoren berücksichtigt (z. B. Putz, Holz, …). Es ist erkennbar, dass bei dem zweiten Diagramm zwar der Ertrag pro Fläche niedriger ist (y-Achse), die erreichbaren Temperaturen (x-Achse) beim abgedeckten Kollektor aber auch hier immer noch hoch sind. Das bedeutet, dass auch ein solches Kollektorkonzept im Gegensatz zu unabgedeckten Kollektoren z. B. für solares Heizen oder Kühlen geeignet wäre und der geringe Flächenertrag in diesem Fall durch eine größere Fläche kompensiert werden könnte. Es wird also deutlich, dass man insbesondere bei dem Begriff „Effizienz“ differenzieren muss.

Herausforderungen

Es ist offensichtlich, dass neue Ansätze für Solarkollektoren existieren und sich auch bereits im Prototypenstadium oder gar schon im Markt befinden. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass es nicht ausreichend ist, einzelne Produkte anzubieten, ohne dass der Markt dafür entsprechend gestaltet wird. Um neue Kollektorkonzepte zu etablieren, ist es notwendig, dass sich auch Akteure mit ihnen beschäftigen, die bislang nichts mit Solarthermie zu tun hatten. Umgekehrt ist es auch empfehlenswert, dass sich die Solarthermiebranche öffnet, um sich verstärkt architektonischen, bauphysikalischen oder Designaspekten zu widmen.

In Bezug auf die Kollektorentwicklung ist eine systemorientierte Komponentenentwicklung anzustreben, d. h. der Kollektor sollte von Beginn an im Kontext von Gebäude, Klima, Temperaturniveau der Anwendung, zeitlicher und örtlicher Verfügbarkeit der Einstrahlung, Ästhetik etc. entwickelt werden. Es sollte nicht nur im Mittelpunkt stehen, eine „Black Box“ losgelöst von ihrer späteren Systemintegration auf maximalen Wirkungsgrad zu bringen, sondern es muss vielmehr das Gesamtsystem optimiert werden, und dazu gehört auch, den Kollektor dahingehend zu entwickeln. So kann es durchaus sein, dass eine Komponente bei Betrachtung nur einer Teilfunktion nicht attraktiv ist (zu schwer, zu teuer, zu geringer Ertrag, …), aber im Gesamtkontext zu einer vollkommen anderen Beurteilung führt.

Es ist daher besonders wichtig, Kollektoren „jenseits des Stands der Technik“ auch anders zu beurteilen und zu simulieren als jene, die wir üblicherweise kennen. Dies betrifft sowohl die Normung als auch Simulationsmodelle. Die Simulation sowie die experimentelle Validierung sind wesentliche Werkzeuge, um dafür Sorge zu tragen, dass auch Kollektoren, die gänzlich andere Ansätze verfolgen, den notwendigen Anforderungen bezüglich Effizienz und Funktionalität genügen.

Vieles ist möglich, wenn Forschung und Industrie gemeinsam mit potenziellen Kunden Neues ausprobieren. Vor allem der Kontakt mit branchenfremden Firmen, die beispielsweise eine Expertise bei neuen Materialien oder Fertigungsverfahren besitzen, kann neue Türen aufstoßen. Die Solarthermie ist noch lange nicht am Ende.

Literatur

[1] Hermann M., (2005), Bionische Ansätze zur Entwicklung energieeffizienter Fluidsysteme für den Wärmetransport. Dissertation, Fakultät für Maschinenbau, Universität Karlsruhe (TH)

[2] Hermann M., Thoma C., Koch L., Dupeyrat P., (2011), Der FracTherm®-Kollektor – erste Messergebnisse von Prototypen, Tagungsband, 21. Symposium „Thermische Solarenergie“ OTTI, Bad Staffelstein

[3] Hermann M., Koch L., Di Lauro P., Bauch M., Klemke M., (2011), New absorber manufacturing and materials – challenges for absorber design an evaluation, Proceedings, ISES Solar World Congress 2011, Kassel, Germany

[4] Koch L., Hermann M., Steinbach F., Witulski J., Tekkaya A. E., (2012), Erfahrungen und Ergebnisse aus der Entwicklung von Stahlabsorbern, Tagungsband, 22. Symposium „Thermische Solarenergie“ OTTI, Bad Staffelstein

[5] Maurer C., Kuhn T. E., (2012), Variable g value of transparent façade collectors, Energy and Buildings, Volume 51, August 2012, pp. 177-184

[6] Welz C., Di Lauro P., Thoma C., Richter J., Hermann M., Stryi-Hipp G., Maurer C., (2012), Physikalische Modellierung und Simulation sowie detaillierte Vermessung von Luftkollektoren, Tagungsband, 22. Symposium „Thermische Solarenergie“ OTTI, Bad Staffelstein

[7] Munari Probst M. C., Roecker C., (2011), Architectural integration and design of solar thermal systems. EPFL press distributed by Routledge, Lausanne, Switzerland

*) Dr.-Ing. Michael Hermann ist Teamleiter für „Wärmeübertrager und Kollektorentwicklung“ am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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