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Solarthermische Kühlung – Status Quo und Optimierungspotential

von Bettina Nocke, Hilbert Focke, David Hannl, Daniel Neyer, Erich Podesser, Anita Preisler und Alexander Thür

Solarthermische Kühlanlagen sind dann energetisch sinnvoll, wenn sie deutlich weniger elektrische (Hilfs-)Energie benötigen als konventionelle Kompressionskältemaschinen. In den letzten Jahren gab es international zahlreiche Aktivitäten, um diese Anlagen zur Marktreife zu bringen. In Österreich ging 2013 das Forschungsprojekt „Primärenergetische Optimierung von Anlagen zur solaren Kühlung mit effizienter Anlagentechnik und innovativen Regelstrategien“ (SolarCoolingOpt) zu diesem Thema zu Ende, das sich die primärenergetische Optimierung dieser Technologie zum Ziel gesetzt hatte.

Status Quo

Die thermisch betriebene Kältetechnik, die Solarenergie als Prozessantrieb nutzen kann, wird seit vielen Jahren beforscht, betrieben und weiterentwickelt. Trotz des grundsätzlich genialen Ansatzes – Solarenergie steht meist dann zur Verfügung, wenn auch der Kühlbedarf am höchsten ist – ist der anfängliche Enthusiasmus in den letzten Jahren vielerorts zwar nicht verschwunden, aber doch deutlich gedämpft worden. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Systemkosten immer noch deutlich höher sind als für konventionelle Kühlung, und die Einsparungen an Primärenergie und an Betriebskosten oft nicht in der erwarteten Höhe eintrafen. Die Suche nach dem Grund dafür führte in den meisten Fällen nicht zu Mängeln an thermisch betriebenen Kältemaschinen oder Sorptionselementen, sondern vielmehr zu Mängeln in der Systemintegration, unzureichender Konzeptionierung und Auslegung der Komponenten, falschen Regelstrategien und fehlender Anlagenüberwachung. Genau hier setzt das gegenständliche Forschungsprojekt an. Um diesen Problemfeldern auf internationaler Ebene zu begegnen, wurde 2011 eine Forschungsgruppe der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 48) mit dem Titel „Quality Assurance & Support Measures for Solar Cooling“ gegründet. Das Projektteam arbeitet u.a. an der Entwicklung einheitlicher Bewertungsverfahren und Qualitätsanforderungen für Komponenten und Systeme der solarthermischen Kühlung. Österreich ist darin mit führenden Experten vertreten, und das Projekt SolarCoolingOpt konnte durch die IEA-Aktivitäten unterstützt werden. Einige Projektinhalte werden im Folgenden vorgestellt.

Simulationsmodelle

Ein wichtiges Werkzeug für die Anlagenoptimierung ist die Simulation. Hier sind zunächst Simulationsmodelle für die Hauptkomponenten der solarthermischen Kühlung notwendig. Für die vorrangig angewandte Simulationsumgebung TRNSYS (TRaNsient SYstems Simulation) sind die bisher verfügbaren Modelle nicht ausreichend flexibel, um ein realistisches dynamisches Betriebsverhalten abzubilden und Regelungsstrategien im Vorfeld zu untersuchen. Es wurde daher ein Modell für eine Absorptionskältemaschine, sowie für luftgeführte Anlagen ein Modell für den Sorptionsrotor einer Desiccant-Evaporative-Cooling (DEC)-Anlage entwickelt.

Im Rahmen des Projekts wurde eine Ammoniak/Wasser (NH3/H2O)-Absorptionskältemaschine (AKM) am Institut für Wärmetechnik (IWT) der TU Graz detailliert vermessen und die Messergebnisse zur Beschreibung der Betriebscharakteristik der Anlage ausgewertet. Basierend auf Massen-, Stoff- und Energiebilanzen wurden diese Daten in ein Simulationsmodell in EES (Engineering Equation Solver) übergeführt und in weiterer Folge zur Erstellung eines Kennlinienmodells für die AKM verwendet. Gemeinsam mit der Universität Innsbruck (UIBK) wurde dieses Kennlinienmodell als neues Type in TRNSYS implementiert und um das dynamische Verhalten (Start und Stopp) erweitert. Dabei wird bei Betriebspunktänderungen die thermische Trägheit der externen Kreise (Kaltwasser-, Heißwasser- und Rückkühlkreis) mit äquivalenten Speichertermen und Änderungen der internen Sammelbehälter-Füllstände berücksichtigt. Eine detaillierte Beschreibung der Modellbildung ist in [1] zu finden. Am Austrian Institute of Technology (AIT) wurde ein Simulationsmodell für einen drehzahlgeregelten Sorptionsrotor entwickelt. Es wurden unterschiedliche Strategien zur Abbildung der Drehzahlabhängigkeit untersucht und hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit verglichen. Ein vorhandenes Simulationsmodell wurde entsprechend angepasst und mit Hilfe von gemessenen Daten einer DEC-Anlage am Gebäude ENERGYbase in Wien mit variabler Drehzahl validiert. Mithilfe dieser Modelle konnten bekannte Anlagenkonzepte zur Kühlung detailliert untersucht und ihr Optimierungspotential analysiert werden. Dies betrifft sowohl die Komponentenauswahl als auch die Regelungsstrategie für die beabsichtigte Anwendung.

Geeignete Konfigurationen und Regelstrategien

Mithilfe von Simulationen wurden drei verschiedene Anlagentypen untersucht: eine Desiccant-Evaporative-Cooling (DEC)-Anlage zur Luftbehandlung, eine NH3/H2O-AKM im sehr kleinen Leistungsbereich (19 kW) und eine Großanlage mit 1,5 MW AKM als Grundlast-Kältebereitstellung in Singapur.

Im ersten Fall wurde am AIT eine DEC-Anlage für Büro- und Hotelklimatisierung an vier verschiedenen Standorten (Wien, Kairo, Athen und Honolulu) mit verschiedenen Anlagenkonfigurationen auf ihre Charakteristik hinsichtlich Innenraumkomfort und Primärenergie(PE-)bedarf untersucht. Hierbei kam das Modell des drehzahlgeregelten Rotors erstmalig zum Einsatz. Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse wird in [2] gegeben. Für mitteleuropäisches Klima konnte gezeigt werden, dass im Ganzjahresbetrieb, vor allem durch die Nutzung des Sorptionsrotors zur Feuchterückgewinnung im Heizbetrieb, Primärenergieeinsparungen über 35% möglich sind. An den Standorten Kairo, Athen und Honolulu wird im Kühlbetrieb für besseren Raumkomfort empfohlen, den Zuluftbefeuchter durch ein Kühlregister zu ersetzen. In Klimaregionen wie Kairo und Athen, wo der Kühlbedarf sehr viel höher ist als der Heizbedarf, wurden potentielle PE-Einsparungen von 20 – 23% errechnet.

Abbildung 1: Schema eines optimierten Desiccant-Evaporative-Cooling-Prozesses zur Luftbehandlung Quelle: AIT

Absorptionskältemaschine (AKM) im kleinen Leistungsbereich

Für die 19kW-AKM wurden mithilfe des neuentwickelten Simulationsmodells verschiedene Konfigurationen und Regelstrategien für die Kühlung eines Bürogebäudes über Fancoils am Standort Wien untersucht (AEE INTEC, UIBK).

Ausgehend von der Jahresenergiebilanz einer herkömmlichen Anlagenkonfiguration (mit Kaltwasser(LT-)speicher und thermischem Back-Up wurden verschiedene Varianten (z.B. mit und ohne LT-Speicher, LT-Speicher mit einem oder zwei Sensoren, Einsatz von thermischem oder elektrischem BackUp-System für Zeiten ungenügender Sonneneinstrahlung) bzw. Regelungsstrategien simuliert. Der Vergleich wurde auch für den Fall der Kühlung über Bauteilaktivierung (Geschoßdecken) durchgeführt.

Der Primärenergiebedarf wurde für alle Varianten mit dem Primärenergiebedarf einer Referenzanlage - einer Kompressionskältemaschine (KKM) mit durchschnittlicher elektrischer Jahresarbeitszahl SPFel von 2,8 (Kaltwassertemperatur 10°C) bzw. von 3,3 (für Deckenkühlung mit einer Kaltwassertemperatur von 15°C) verglichen. Der Seasonal Performance Factor SPFel bezeichnet das Verhältnis von gelieferter Kälteenergie zum Stromverbrauch. Schließlich wurde auch der Standort gewechselt und dasselbe Gebäude in Athen solar gekühlt, was natürlich eine Anpassung der Kältekapazität (35 kW statt 19) und eine annähernde Verdoppelung der Kollektorfläche und des Solarspeichers mit sich bringt.

Die wichtigsten Kennzahlen, die Aussagen über die Effizienz der Kältelieferung erlauben, sind in Abbildung 3 aufgeführt. Die Schlussfolgerungen daraus in Kürze:

Der thermische SPFth gibt Auskunft darüber, wie gut die Generator-/Antriebswärme in Kälteenergie umgewandelt werden kann. Dieser Wert ist bei höheren Kaltwassertemperaturen bzw. niedrigen Umgebungstemperaturen für die Rückkühlung (Kühlturm) deutlich besser. Das Primärenergieverhältnis für die Kälteerzeugung PERc gibt an, wieviel Kälteenergie in kWh mit einer kWh Primärenergie erzeugt werden kann. Die roten Balken in der Grafik zeigen, dass der Einsatz eines thermischen fossilen BackUps diesen Wert deutlich niedrig hält. Die direkte (Spitzen)-Kälteerzeugung über eine KKM als elektrisches BackUp, die wesentlich kleiner sein kann als die AKM, ist hier (bei mitteleuropäischem Klima) eindeutig von Vorteil. Die SolarFraction (SF) cool zeigt den solaren Anteil an der Kälteerzeugung. Der Verzicht auf ein BackUp-System (SFcool =1) führt zu exzellenter Primärenergieeffizienz, ist aber generell nur bei hohem solarem Strahlungsangebot realisierbar bzw. wenn ein gelegentliches Überschreiten der Komfortgrenzen in Kauf genommen wird.

Schließlich zeigt fsave die potentielle Primärenergieeinsparung gegenüber der jeweiligen Referenzanlage in Abhängigkeit der Kaltwassersolltemperatur (SPFel = 2,8 bzw. 3,3). Die niedrigsten (negativen) Werte entstehen, wenn der Kaltwasserspeicher mit 2 Sensoren auf ständig minimaler Temperatur gehalten wird und auch mehr Kälteenergie an das Gebäude abgegeben wird – ohne deutliche Komfortverbesserungen. Die Simulationen haben gezeigt, dass sehr gut geplante und betriebene solare Kühlanlagen mit drehzahlgeregelten Pumpen im kleinen Leistungsbereich 30 bis über 60% weniger Primärenergie verbrauchen als konventionelle Kälteanlagen.

Es hat sich außerdem gezeigt, dass der Einsatz eines Kaltwasserspeichers zumindest bei geringen Nennleistungen nachteilig und prinzipiell nicht notwendig ist. Sehr von Vorteil ist stattdessen eine dynamische Leistungsregelung über die Massenströme im Austreiber- und Rückkühlkreis sowie die Ventilatordrehzahl im Kühlturm. Hier können Kosten und Energieaufwand gespart werden. In [3, 4] sind die Simulationsergebnisse und die Regelstrategien detailliert erklärt.

Abbildung 2:
Links: Schema der untersuchten Standardkonfiguration einer Absorptionskältemaschine auf NH3/H2O-Basis mit 19 kW Kälteleistung (HT – Generatorkreis, MT – Rückkühlkreis, LT – Kaltwasserkreis) Quelle: IEA SHC Task 38 (adaptiert)
Rechts: Beispiel einer Absorptionskältemaschine)(Quelle: Pink GmbH)

Abbildung 3: Kennzahlen als Ergebnis von Jahressimulationen einiger ausgewählter Konfigurationen für Gebäudekühlung mit AKM Quelle: AEE INTEC

Absorptionskältemaschine (AKM) mit 1,5 MW Leistung

Als weiteres Untersuchungsobjekt sei die von der Fa. SOLID installierte Großanlage am United World Campus Singapur mit 1,5 MW Absorptionskälte als Vorkühlung bzw. Grundlastabdeckung (Kaltwassertemperaturniveau 16/11°C) für insgesamt 5,6 MW installierte Kompressionskälte erwähnt. Die 2012 in Betrieb gegangene Anlage wurde am UIBK simuliert, um das Effizienzsteigerungspotential möglicher Optimierungen zu quantifizieren. Da hier die AKM praktisch immer in Volllast arbeitet, sind eine ausreichend große Kollektorfläche, aber auch die entsprechende Speichergröße wichtigste Voraussetzungen. Regelbare Massenströme wie bei kleinen Anlagen sind hier zweitrangig, entscheidend ist dagegen, dass überall genau dem Bedarf entsprechend ausgelegte Hocheffizienzpumpen eingesetzt werden. Elektrische Jahresarbeitszahlen >12 sind, theoretisch mit Simulationen berechnet, möglich. Real werden in dieser Anlage derzeit SPFel von ca. 8 erreicht.

Abbildung 4: Solarunterstützte Kühlung am United World Campus Singapur. Quelle: SOLID

Kühlturmentwicklung

Versuche und Praxistests mit einem im Projekt entwickelten Funktionsmuster für eine effiziente und kostengünstige Rückkühleinheit (Podesser Consulting) konnten nachweisen, dass durch die Verwendung kostengünstiger Serienbauteile und mit geeigneter Wasserverdüsung auch ohne Füllkörper eine zufriedenstellende Kühlleistung erreicht werden kann. An den Füllkörpern sammeln sich an kaum zugänglichen Stellen Ablagerungen, die den Aufwuchs von Bakterien und Pilzen begünstigen (Kühlturmhygiene). Die Desinfektion des Wassers im gesamten Rückkühlkreislauf erfolgte durch Metallionen (Silber- und Kupferionen). Das Ansteigen der Wasserhärte des Kühlwassers wird durch Leitwertmessung und gezielte Abschlämmung verhindert. Durch Verwendung von energiesparenden EC-Motoren für Ventilator und Umwälzpumpe, sowie durch Drehzahlregelung des Ventilators kann der Stromverbrauch im Teillastbetrieb signifikant reduziert werden. Weiterentwicklungen von Rückkühlanlagen ohne Ventilatoren mit wesentlich niedrigerem Lärmpegel und reduziertem Energieverbrauch sind geplant.

Ausblick

Während der dreijährigen Projektlaufzeit konnten viele nützliche Erkenntnisse gewonnen und hilfreiche Werkzeuge entwickelt werden. Die solarthermische Kühlung ist in Österreich vorangekommen, und die Ergebnisse können auch international genutzt werden. Weitere Forschungsziele sind:

  • die bessere Ausschöpfung der dynamischen Leistungsregelung
  • das Erreichen von SPFel > 10 (sollte immer erreicht werden)
  • die weitere Reduzierung des Primärenergiebedarfs für thermische Kühlung im Zusammenhang mit der Gebäuderegelung
  • die Optimierung der Systemkonfigurationen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit
  • die Verbesserung der Zuverlässigkeit der Rückkühltechnik einschließlich der Wasseraufbereitung für offene Kühltürme
  • die Erweiterung der Betrachtung von solarthermischen auf solarelektrische Systeme bzw. Kombinationen aus beiden

Literatur

  1. „Stationäres und dynamisches Betriebsverhalten einer Ammoniak/Wasser-Absorptionskälteanlage – Experimentelle Analyse und Simulationsmodellbildung“, D. Hannl, D. Neyer, R. Rieberer, W. Streicher, Gleisdorf Solar 2012, Internationale Konferenz für Heizen und Kühlen, A-Gleisdorf
  2. “Results of system configurations to optimize solar-driven desiccant evaporative cooling systems in full year operation”, A. Preisler, M.Brychta, SHC 2013, International Conference on Solar Heating and Cooling for Buildings and Industry, D-Freiburg
  3. SolarCoolingOpt: Publizierbarer Endbericht 2014
  4. “Dynamic power control of a small capacity chiller, modeling and first results”, D. Neyer, B. Nocke, A.Thür, M. Brychta, 5th International Conference Solar Air-Conditioning 2013, D-Bad Krozingen
  5. „Solares Kühlen – Technologie – Planung – Betrieb“, Broschüre im Rahmen von SolarCooling Opt (Neue Energien 2020, FFG-Nr.825544), 2013

Autorenbeschreibung

DI Bettina Nocke, PhD, ist Mitarbeiterin von AEE INTEC, Bereich Solarthermische Komponenten und Systeme (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Hilbert Focke ist Projektmanager am Austrian Solar Innovation Center ASiC

DI David Hannl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wärmetechnik der TU Graz

DI Daniel Neyer und DI Alexander Thür, PhD sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Arbeitsbereichs Energieeffizientes Bauen an der Universität Innsbruck (UIBK)

DI Dr.Erich Podesser, Podesser Consulting, Theodor-Körner-Str. 35, 8010 Graz

DI Anita Preisler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Austrian Institute of Technology GmbH ,

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