2010-01
Wassermanagement
Abbildung 1: Einfache Möglichkeit für die Handhygiene nach dem Toilettenbsuch in Vrata/Rumänien (Quelle: WBCF)
In der Europäischen Region wurde der Mangel an sicherem Trinkwasser und angemessener Siedlungshygiene als wesentliche Ursache für Kindersterblichkeit und hohe Erkrankungsziffern erkannt, besonders in Ländern Osteuropas, Kaukasus und Zentralasiens (EECCA). In der Europäischen Region (nach Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO) haben 120 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie zu hygienischen sanitären Einrichtungen, was zu abwasserbürtigen Erkrankungen wie Hepatitis A, Typhus und Durchfall-Erkrankungen führt.
Nachhaltige Schultoiletten für eine bessere Gesundheit von Kindern
Von Dr.-Ing. Claudia Wendland, Margriet Samwel, Sascha Gabizon*
Eine sichere Wasserversorgung und adequates Abwassermanagement würde über 30 Millionen Fälle von wasserbedingten Erkrankungen pro Jahr in der Region verhindern [WHO 2003]).
Es gibt große Unterschiede zwischen den Ländern der WHO-Euro-Region, was Wasser- und Abwassermanagement anbetrifft. Die Daten werden vor allem von den Haushalten erfasst, über den Zustand in öffentlichen Einrichtungen, wie Schulen, weiß man daher sehr wenig.
Mangel an sicheren sanitären Einrichtungen und sauberem Trinkwasser
In den neuen EU-Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien sind Latrinen und unkontrollierte Abwasserableitung eine Hauptursache für die Gewässerbelastung durch Nährstoffe und Krankheitserreger, neben der weit verbreiteten Verschmutzung durch die Landwirtschaft mit mineralischen Düngemitteln und Pestiziden. Rumänien hat 10 Millionen Einwohner, die nicht an eine zentrale Kanalisation angeschlossen sind und keinen Zugang zu sicheren sanitären Einrichtungen haben. 8 Millionen Einwohner, meist aus ländlichen Gegenden, sind auf ungeschützte Brunnen für die Trinkwasserversorgung angewiesen. Die Weltbank schätzt, dass in Rumänien mindestens 25% der Nitratbelastung des Grundwassers durch Latrinen und mangelhaften Klärgruben verursacht wird.
In Bulgarien gibt es in fast allen Gegenden eine zentrale Wasserversorgung, aber das Abwassermanagement ist unzureichend. 98% der Dörfer verfügen über keine Kanalisation bzw. Abwasserbehandlung.
Seit der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjet-Staaten wie die Ukraine, Moldawien, Armenien und viele andere, sind bestehende zentrale Wasser-und Abwassersysteme durch fehlendes Know-How, mangelnde Mittel und fehlende Strukturen für den Eigentumsübergang mangelhaft gewartet worden und in vielen Gegenden zusammengebrochen. Heute gehört die Trinkwassersituation in den ländlichen Gebieten z.B. der Ukraine zu den schlechtesten in der WHO-Euro-Region. Im Jahre 2004 hatten nur 26% der ländlichen Bevölkerung eine zentrale Wasserversorgung und nur etwa 6% einen Hausanschluss. Die übrige ländliche Bevölkerung bezieht ihr Trinkwasser aus privaten oder öffentlichen Brunnen.
Die gleiche Situation ist in Ländern wie Armenien, Kirgisistan, Usbekistan und anderen zu beobachten. Offiziell haben Haushalte Zugang zu einer verbesserten Wasserversorgung, aber in den meisten Fällen ist die Wasserversorgung häufig unterbrochen und es gibt erhebliche Wasserverluste in den Leitungen. Undichte Abwasserkanalisationen belasten die Gewässer, auch das Grundwasser für die Trinkwassergewinnung.
Die Landbevölkerung ist auf Latrinen oder undichte Klärgruben angewiesen. Die Sanitärversorgung ist oft unhygienisch und im Winter bei kalten Temperaturen für viele Menschen unzumutbar. Aber auch der Zugang zu einer zentralen Wasserversorgung gibt wegen der vielen Unterbrechungen keine Garantie für angemessene sanitäre Versorgung.
Das NRO-Netzwerk Women in Europe for a Common Future (WECF) führt Projekte in ländlichen Gebieten der neuen beigetretenen EU-Länder Rumänien und Bulgarien und in 11 EECCA Ländern (Ukraine, Weißrussland, Moldawien, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Afghanistan, Kirgisistan, Kasachstan, Tadschikistan und Usbekistan) im Bereich Wasser- und Sanitärversorgung und Abwasserentsorgung durch. In vielen ländlichen Gemeinden ist der fehlende Zugang zu sicherem Trinkwasser ein wichtiges Thema. Allerdings stellte sich heraus, dass das Problem mangelnder sicherer sanitärer Einrichtungen ebenfalls erheblich ist, besonders auch an Schulen in ländlichen Gebieten. Die unhygienischen Zustände stellen ein Gesundheitsproblem für die Kinder dar.
Abbildung 2:Anbau für eine neue Toilettenanlage in Kirgisistan (WECF)
Zustand der Schultoiletten
In den Projekten hat WECF unzumutbare, unhygienische Zustände in den Schultoiletten in den ländlichen Gegenden aller Projektländer vorgefunden. Die Probleme entstehen nicht unbedingt durch mangelhafte Betreuung der Schultoiletten, sondern liegen vor allem an dem System der Latrinen selbst. Durch die Sammlung der menschlichen Exkremente in den Gruben entstehen Gerüche und Faulungsprozesse. Es ist der ideale Nährboden für Fliegen, die eine weitere Infektionsgefahr darstellen.
Durch den unangenehmen Geruch werden die Toiletten in der Regel möglichst weit weg vom Schulgebäude platziert. In Gegenden mit kalten Wintern leiden insbesondere Mädchen unter Blasenentzündungen bei kalten Temperaturen. Z.B. in Armenien und Weissrussland sind Wintertemperaturen unter -15°C keine Seltenheit.
In vielen Schulen gibt es keine Möglichkeit, sich nach dem Toilettengang die Hände zu waschen, obwohl eine Vielzahl von Interventionsstudien den Zusammenhang zwischen Händewaschen mit Seife und Durchfallerkrankungen belegen [WASH 2004].
Ein weiteres Problem ist die fehlende Privatsphäre auf den Schultoiletten. Türen, wenn es sie denn gibt, können nicht abgeschlossen werden. Manchmal gibt es nur offene Räume für mehrere Benutzer ohne Sichtschutz. Die meisten Schüler versuchen daher den Besuch der Schultoiletten zu vermeiden und trinken möglichst wenig. Dies ist der Gesundheit der Kinder ebenfalls abträglich. Ein zusätzlicher Aspekt ist dabei, dass Mädchen während der Menstruationsperiode aufgrund der hygienischen Zustände und mangelnden Privatsphäre eher zu Hause bleiben [WASH 2007].
Die Gruben der Latrinen sind oft nicht abgedichtet, so dass je nach geo-hydrologischer Situation das Grundwasser durch Keime und Nitrate belastet wird. WECF hat in rumänischen und ukrainischen dicht besiedelten Dörfern hohe Konzentration von e-coli-Bakterien und Nitraten gemessen (Samwel und Gabizon, 2006) Die Gruben müssen von Zeit zu Zeit geleert werden, dazu gibt es oft kein Bewusstsein einer ordnungsgemäßen Entsorgung.
Obwohl die EECCA-Länder Hygiene-Aufsichtsbehörden haben, die auch Regelungen für Schulen herausgeben, sind die hygienischen Zustände oft desaströs. Den verantwortlichen Behörden sind diese Bedingungen nicht bekannt oder sie ignorieren sie schlicht, da Schultoiletten keine Priorität in der Politik haben. Der Water Supply and Sanitation Collaborative Council (WSSCC) sagt dazu, dass die lokalen Behörden die größte Barriere für die Einführung hygienischer Zustände seien (WASH & WSSCC).
Nachhaltige und sichere Schultoiletten - Trockentrenntoiletten
Eines der Ziele der WECF-Projekte ist die Verbesserung der Sanitärbedingungen in Schulen. Außerdem möchte WECF Lösungen aufzeigen, wie die Situation sofort verbessert werden kann, ohne dass man auf den Zugang zu zentraler Wasserversorgung und Abwasserentsorgung angewiesen ist. Im Jahre 2003 startete WECF mit lokalen Partnern in Rumänien mit dem Bau der ersten Trockentrenntoilette in Garla Mare für eine Schule mit 180 Schülern und 8 Lehrern und Angestellten [Samwel et al 2006]. Eine Trockentrenntoilette besteht aus einer Toilette, die direkt Urin und Fäkalien getrennt ableitet und sammelt [Richert-Stintzing 2007]. Das Toilettensystem braucht kein Spülwasser, sondern die Fäkalien werden nach der Benutzung mit Trockenmaterial wie Sägespäne oder Asche abgedeckt. Die Sammlung, Behandlung und Nutzung von Urin und Fäkalien in der Landwirtschaft erfolgt nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation [WASH 2006].
Die Trockentrenntoilette produziert keine unangenehmen Gerüche, lockt keine Fliegen an und kann daher auch im Haus eingebaut werden. Die Nutzung von Urin und Fäkalien im Garten bzw. Landwirtschaft als organischer Dünger kann zusätzlich zur Nahrungsmittelproduktion beitragen und die Böden verbessern WASH 2006].
Mittlerweile haben WECF und lokale Partner in 12 Ländern über 25 Trockentrenntoiletten für Schulen und Kindergärten erfolgreich mit dieser Technologie errichtet [Deegener et al 2009]. Abhängig von der lokalen Kultur und den Wünschen wurden die Toilettengebäude auf dem Schulhof gebaut oder im Schulgebäude verbunden. Finanziert wurden diese vor allem vom niederländischen Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit und von der französischen Stiftung Fondation Ensemble.
Abbildung 3: Schultoilette in Vrata / Rumänien vor und nach der Sanierung (Quelle: WECF)
Weitere Verbreitung der Trockentrenntoiletten an Schulen in der Region
Nach der erfolgreichen Implementierung der Trockentrenntoiletten als Demonstrationsanlagen stellt die weitere Verbreitung dieser kostengünstigen und nachhaltigen Lösung eine Herausforderung dar. In den meisten EECCA Ländern gibt es kein staatliches Programm für Sanitäreinrichtungen in Schulen, da das Thema weder politische noch finanzielle Unterstützung erfährt. Die Pilotanlagen z.B. in der Ukraine haben große Aufmerksamkeit erregt, dass es für Schulen effiziente Alternativen zu einfachen Latrinen gibt. Allerdings ist es dringend notwendig, dass es, auch im legislativen Bereich, zusätzliche Unterstützung auf nationaler und auch auf EU-Ebene zum sicheren Einsatz von modernen Toiletten ohne Wasserspülung gibt.
Literatur
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*) Dr.-Ing. Claudia Wendland, Margriet Samwel, Sascha Gabizon, Women in Europe for a Common Future (WECF) [^]