2010-02: Energie in Gemeinden
Solarthermie
Abbildung 1: Informationsveranstaltung in Gleisdorf im Juli 2006
Im Rahmen des europaweiten Förderprogramms „CONCERTO“ zeigen vier europäischen Städte im Projekt „Energy in Minds!“ dass der Anteil fossiler Energieträger und der Ausstoß von CO2 innerhalb von 5 Jahren um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden verschiedenste – „concerto“ - Maßnahmen zur konsequenten Reduktion des Energiebedarfs in Kombination mit dem vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien umgesetzt.
Wie verbessere ich die Energieeffizienz in einer Stadt?
„Energy in Minds!“ - Ein EU-Projekt zeigt Wirkung
Wertvolle Erfahrungen von Experten nutzen
Die teilnehmenden europäischen Städte sind Neckarsulm in Deutschland, Falkenberg in Schweden, Zlin in Tschechien und die Energieregion Weiz-Gleisdorf in Österreich. Neben diesen Städten, in denen mit finanzieller Unterstützung der EU von hocheffizienten Gebäudesanierungen bis zu Pellets-Mikro-KWKs die verschiedensten Technologien zum Einsatz gekommen sind, waren beim Start mit Gornji Grad in Slowenien und der Region Turin in Italien auch noch zwei „Beobachterstädte“ an dem Projekt beteiligt. Alle Partner, inkl. dem Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude und Solartechnik aus Stuttgart, die als Projektkoordinatoren fungierten, hatten bereits vor „Energy in Minds!“ auf dem Gebiet der regenerativen Energiesysteme und rationellen Energieverwendung einige europäische Leuchtturmprojekte realisiert.
Nutzen internationaler Kooperation
Die enge Zusammenarbeit der Städte, die ähnliche Ansätze verfolgten, verbesserte die Effektivität der Maßnahmen deutlich. Durch den intensiven Austausch und zahlreiche Schulungen innerhalb des Konsortiums konnten bereits bestehende Kenntnisse und im Rahmen von Energy in Minds! erworbene Erfahrungen an alle Partnern weitergegeben und effektiv genutzt werden. Die Bereitschaft dieses Wissen möglichst rasch auch an andere weiterzugeben, hat dazu geführt, dass sich im laufe der letzten 5 Jahre mit Trier (D), Wieselburg(A), Värnamo(S) und den Regionen „Val Pellice“ und der „Provincia di Biella“ aus Italien sich weitere „Observer“ an dem Projekt beteiligten.
20 bis 30 Prozent weniger CO2
Es gibt viele mögliche Wege Energie einzusparen, jedoch führt nur die Kombination der Einzelmaßnahmen und die aktive Mitwirkung der Bürger und Gemeinden zur erfolgreichen Umsetzung der Ziele. Die Aktivitäten im Rahmen von Energy in Minds! verteilen sich auf sechs Hauptkategorien, die im folgenden Schema dargestellt sind.
Abbildung 2: Aktivitäten im Rahmen von Energy in Minds
Informationskampagnen tragen zu Steigerung des Energiebewusstseins bei
Zur Sensibilisierung der Bevölkerung für Energiefragen wurden zahlreiche Aktivitäten durchgeführt. In allen teilnehmenden Städten wurden Energieberatungsstellen eingerichtet, Workshops und Vorträge zu speziellen Energiethemen angeboten, Aktionen für Kinder organisiert, öffentliche Energietage veranstaltet, Hausmeisterschulungen oder Sommer-Kurse an der Universität angeboten, Pressekonferenzen abgehalten und öffentliche Führungen zu innovativen Projekten angeboten.
Aufgrund der zahlreichen Informationsangebote in Verbindung mit einer kostenlosen Beratung nahmen die Aktivitäten der Gebäudeeigentümer messbar zu und die Motivation zum Energiesparen stieg. Gute Öffentlichkeitsarbeit und die finanzielle Unterstützung durch „Energy in Minds!“ hat viele Gebäudebesitzer motiviert, in Energiesparmaßnahmen und regenerative Energiesysteme zu investieren, obwohl die Einhaltung eines Energiestandards gefordert war, der 30 Prozent unter den Vorgaben des nationalen Standards lag. Die Anzahl von Sanierungen, neuen Niedrigstenergiehäusern, installierten Solar- und PV-Anlagen ist seit dem Start von „Energy in Minds!“ in allen Städten deutlich gestiegen. Im privaten und öffentlichen Bereich wurden innerhalb der letzten 5 Jahre Neubauten mit einer Gesamtfläche von insgesamt 40.000 m² neu errichtet und Bestandsgebäude mit gesamt 60.000 m² hochwertig energetische Sanierungen durchgeführt. Es wurden ca. 5.000 m² Solarthermie und 2.000 kWp PV-Anlagen sowohl in Groß- als auch in Kleinanlagen realisiert.
Die Kenntnis über unseren Energieverbrauch ist der erste Schritt zur Energieeinsparung
Um Gebäude mit hohem Energieeinsparpotential zu identifizieren, wurden einige tausend Energie-Checks durchgeführt. In Weiz-Gleidsorf führte dies zu der erfolgreichen Umsetzung von zahlreichen Sanierungen von Einfamilienhäusern. Durchschnittlich wurde dabei der Energieverbrauch um ca. 50 Prozent reduziert. Zwei in Falkenberg realisierte Mehrfamilienhäuser sind die ersten in Schweden, die entsprechend den Prinzipien des Passivhauses ausgeführt wurden. Sie unterschreiten den in Schweden geforderten Energiestandard um mehr als 50 Prozent. Verschiedene Wohnungsbaugesellschaften und Politiker benachbarter Gemeinden haben bereits großes Interesse an dem Gebäudekonzept gezeigt und werden ähnliche Gebäude realisieren.
Interessante ökonomische Rahmenbedingungen sind Grund für das große Interesse an PV-Anlagen in Neckarsulm. In Zlin nimmt die Anzahl der PV-Investoren zu, da die Leute nun die Möglichkeit haben die Anlagen in der Realität zu sehen. Das Vermieten der Dächer an Dritte oder die Investition in Anteile einer größeren Anlage der Gemeinde ermöglicht es Privatpersonen in PV-Anlagen zu investieren, auch wenn sie kein geeignetes Gebäude haben.
Die Stadt als Vorbild
Die Umsetzung innovativer Konzepte in öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern, Schulen und Kindergärten zeigt der Bevölkerung positive Beispiele und Möglichkeiten zum Energiesparen.
Die Neubergschule in Neckarsulm ist ein positives Beispiel für die erfolgreiche Durchführung einer Sanierung, die durch die Kombination von guter Dämmung der Gebäudehülle und den Einsatz eines energieeffizienten Heizsystems mit Pellets und Stirling eine Primärenergieeinsparung von 75 Prozent erreicht. Das Pensionistenheim in Weiz ist ein Vorzeigeprojekt in der Energie Region Weiz-Gleidsdorf . Es stellt eine erfolgreiche Sanierung eines Mehrfamilienhauses dar, bei dem der Heizenergieverbrauch um 85 Prozent auf 35 kWh/m² a reduziert wurde.
Im Rahmen von Energy in Minds! wurde in den Städten ein kommunales Energiemanagement eingerichtet. In Zlin konnte durch die erfolgreiche Durchführung von Maßnahmen mit keinen oder niedrigen Investitionen in Kindergärten und Grundschulen eine messbare Reduktion des Energieverbrauchs von 30 Prozent erreicht werden.
Bereitstellung ökologischer und ökonomischer Energieversorgung
Auch die Energieversorgung in den Städten kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Im Rahmen des Projektes wurde die Effizienz zahlreicher bestehender Nahwärmenetze durch Optimierungsmaßnahmen gesteigert wie den Einsatz einer Wärmepumpe zur Erhöhung des Solarertrags und der Effizienz des Erdreichwärmespeichers in der Solarstadt Amorbach in Neckarsulm. In Falkenberg wurde durch die Erweiterung des Nahwärmenetzes, das Wärme aus Holzhackschnitzeln bereitstellt, die Nutzung von Biomasse in den letzten 4 Jahren mehr als verdoppelt und somit der Anteil regenerativer Energien beträchtlich erhöht.
Neue Erkenntnisse durch Pilotprojekte
Des weiteren wurden im Rahmen des Projekts innovative Energietechnologien getestet, weiterentwickelt und ausgewertet. In Neckarsulm wurde eine solarbetriebene Klärschlamm-Trocknungs-Anlage realisiert t(siehe eigenen Bericht) und ein Feldversuch mit Holzpellet-Stirling Motoren durchgeführt. In der Energieregion Weiz-Gleisdorf wurde die Infrastruktur zur Belieferung mit Pflanzenöl ausgebaut und Fahrzeuge mit Pflanzenöl als Kraftstoff getestet. In Zlin können durch den Einsatz einer neuen Technologie in der zentralen Mülldeponie biologisch abbaubare Abfälle in einen zertifizierten brennbaren “energetischen” Kompost verwandelt werden. Falkenberg unternahm mit der Errichtung von 5 neuen Windturbinen an der Küste einen bedeutenden Schritt in Richtung 100 Prozent erneuerbaren Strom.
Abbildung 3: Windpark in Falkenberg, Schweden
Noch energieeffizientere Städte als Vorbild für andere
Energy in Minds! hat in den letzten Jahren gezeigt, dass es sogar in energietechnisch fortschrittlichen Städten möglich ist, das ehrgeizige Ziel der 20-30 prozentigen Einsparung fossiler Brennstoffe zu erreichen. Durch die Kombination vieler verschiedener Maßnahmen reduzieren die vier Gemeinden in Energy in Minds! ihre CO2-Emissionen um 50.000 Tonnen pro Jahr. Dies entspricht den CO2-Emissionen von 10.400 Autos beim Umrunden der Erde.
Abbildung 4: Energieverbrauch fossiler Energieträger - Einsparung von 2005 bis 2010(Quelle: "Energy in Minds!")
Im Rahmen von Energy in Minds! wurden zahlreiche Maßnahmen durchgeführt, die zum Ziel haben nicht nur ein begrenztes kompaktes Baugebiet, sondern die gesamte Stadt zu optimieren. Es wurden sowohl die Kommunen, Energieversorger und Energieagenturen als auch private Gebäudeeigentümer in das Projekt miteinbezogen. Anstatt der Optimierung eines einzelnen Bereiches wurden viele verschiedene Möglichkeiten und innovative Ansätze aufgezeigt, die von jeder Stadt in Teilen nachgeahmt werden kann.
Jede Stadt weist unterschiedliche Rahmenbedingungen und Strukturen auf. Durch die Kombination von Einzelmaßnahmen wurde ein auf die „Energy in Minds!“-Städte jeweils zugeschnittenes Gesamtkonzept erarbeitet und realisiert. Andere Städte können von „Energy in Minds!“ dahingehend lernen, indem die positiven Umsetzungsbeispiele gut dokumentiert sind und die Erfahrungen und Erkenntnisse des 5-jährigen Forschungsprojektes weiterentwickelt werden können.
Angeleitet durch „Energy in Minds!“ haben die Observerstädte während der Projektlaufzeit eigene Aktionspläne ausgearbeitet, die dazu dienen in naher Zukunft einen ähnlichen Ansatz wie Energy in Minds! zu realisieren. Während der letzten 5 Jahren konnten sie von den Erfahrungen und dem Wissensaustausch von Energy in Minds! profitieren und somit einen großen Schritt in Richtung einer energieeffizienteren Stadt gehen.
*) Dipl.-Ing. Ursula Knapp (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) ist Mitarbeiterin im Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude und Solartechnik in Stuttgart und hat gemeinsam mit Dr.-Ing. Boris Mahler die Projektkoordination übernommen [^]