Zeitschrift EE

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Solare Partikel-Technologie für Hochtemperaturprozesswärme

von Tobias Prosinečki und Lars Amsbeck

Solarenergie ist eine vielversprechende Energiequelle zur thermischen Energieerzeugung für industrielle Prozesse. Bisher wurden hauptsächlich Untersuchungen für industrielle Anwendungen mit niedrigem bis mittlerem Temperaturniveau durchgeführt, da der Großteil der Wärme auf einem Temperaturniveau < 250°C benötigt wird. Neuere Technologieentwicklungen auf dem Gebiet der Partikel-Receiver-Technologie machen die Versorgung von Hochtemperaturanwendungen in industriellen Prozessen mit hohen konventionellen Brennstoffkosten (bis 1000°C) mit Solarenergie ohne Subventionen möglich.

Abbildung 1: 2,5 MW SolarturmModul mit Partikelreceiver und Heliostatenfeld. Quelle: Tobias Prosinečki

Hochtemperaturprozesswärme

Beinahe die Hälfte des industriellen Wärmebedarfs erfordert Temperaturen < 400 °C. In einigen Industriesektoren wie z. B. der Metallindustrie wird Wärme auf einem Temperaturniveau < 700 °C benötigt. Energie auf diesem Temperaturniveau wird mit relativ kostenintensiven Energiequellen wie Gas oder sogar Elektrizität gedeckt, wobei im Vergleich mit elektrischen Energiequellen die Wirschaftlichkeit eines Solarsystems für industrielle Prozessanwendungen noch steigen würde. Abbildung 2 zeigt den industriellen Wärmebedarf auf unterschiedlichen Temperaturniveaus für verschiedene Industriesektoren in Europa. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei den Daten um Mittelwerte der Staaten handelt und dass State-of-the-Art-Prozesse zur Anwendung kommen, kann davon ausgegangen werden, dass die globale Aufteilung kurz- bis mittelfristig ähnlich ist.

Abbildung 2: Industrieller Wärmebedarf nach Temperaturniveau und Sektor für EU25 + ACC4 + EFTA 3 im Jahr 2003 [1]

Konzentrierende solarthermische zentrifugale Partikelsysteme

Neue Entwicklungen in der Receivertechnologie für konzentrierende Solarsysteme am DLR Institut für Solarforschung nutzen Keramikpartikel als Wärmeträger- und Speichermedium und ermöglichen eine wettbewerbsfähige solarenergetische Lösung für Hochtemperaturanwendungen in industriellen Prozessen. Das neue System kann den Energiebedarf durch die Bereitstellung von Heißluft oder Dampf signifikant verringern.

In einem Solarturmkraftwerk verwandelt der Receiver die von einem Heliostatfeld eintreffende Strahlung in Wärme. State-of-the-Art-Receiver in kommerziellen Solarturmkraftwerken bestehen aus verschweißten Rohren, die aus Hochtemperatur Legierungen hergestellt werden, und verwenden Umgebungsluft, geschmolzene Salze oder Dampf als Wärmeübertragungsmedium. Diese Fluide begrenzen die Betriebstemperatur mit etwa 560 °C und machen große Energiespeicher teuer und unpraktisch.

Der zentrifugale Partikelreceiver (CentRec) nutzt sandähnliche feste Keramikpartikel (Durchmesser ca. 1 mm) als Medium zur direkten Absorption der aus dem Heliostatfeld auftreffenden konzentrierten Solarstrahlung. Die Partikel können auf 1000°C erwärmt werden und dienen sowohl als Energieträger als auch als Speichermedium. Die direkte Absorption der Strahlung durch die Partikel erlaubt hohe solare Energiedichten im Receiver und daher hohe Wirkungsgrade sowie Betriebstemperaturen bis zu 1000°C. Die Energie kann als heiße Luft oder Dampf entzogen werden und ermöglicht dadurch eine breite industrielle Anwendung. Abbildung 3 zeigt das Schema eines CentRec-Partikelreceiver-Systems.

Abbildung 3: Schema eines CentRec-Partikel-Receiver-Systems. Quelle: DLR.

Die Verwendung von heißen Partikeln als Speichermedium bedeutet, dass ein billiger Energiespeicher gebaut werden kann, der einen 24-Stunden-Betrieb ermöglicht und mit einem konventionellen Backup-System Energieverfügbarkeit und Prozessstabilität garantiert. Dies ist von großem Vorteil für industrielle Prozesswärmeanwendungen, nicht nur in Hinblick auf vorhersagbare Energieversorgung. Die Verwendung eines Energiespeichers ermöglicht auch einen signifikant höheren erneuerbaren Anteil an der Energieerzeugung, was einer höheren erzielbaren Brennstoffeinsparung entspricht.

Stand der Entwicklung

In Labortests mit einem CentRec-Prototyp wurde bereits der hocheffiziente Betrieb bei 900°C erfolgreich nachgewiesen. Ein Receiver in kommerzieller Größe wird derzeit in Betrieb genommen. Der Receiver ist für eine Nennleistung von 2,5 MW im kommerziellen Betrieb ausgelegt.

Abbildung 4: CentRec-Partikelreceiver-Prototyp in marktfähiger Größe. Quelle: Lars Amsbeck.

Systemtests unter realen Betriebsbedingungen sind für 2016 am DLR-Solarturm-Versuchskraftwerk in Jülich vorgesehen (Abbildung 5). Nach erfolgreichem Test wird der nächste Schritt eine Demonstrationsanlage der CentRec-Technologie für eine konkrete Prozesswärmeanwendung sein.

Abbildung 5: DLR-Solarturm-Forschungsanlage in Jülich. Quelle: DLR.

Eine industrielle Prozesswärmeanlage kann aus Solarturm-Modulen mit CentRec-Receiver erstellt werden. Jedes Modul besteht aus einem 2,5-MW-Receiver auf einem ungefähr 40 m hohen Turm, der von einem Heliostatfeld mit einer Fläche von ca. einem Hektar umgeben ist. Durch Wiederholung der Solarturm-Module kann jede gewünschte Leistung erzielt werden. Diese Module können sogar einige Kilometer weit vom Energienutzer entfernt realisiert werden, da die in den solar erhitzten Partikeln gespeicherte Solarenergie mit minimalen Wärmeverlusten transportiert werden kann. Dies ist ein wesentlicher Vorteil für industrielle Anwendungsbereiche, die für die Errichtung eines Solarsystems in unmittelbarer Nähe nicht ausreichend Platz bieten.

Beispiele von Hochtemperaturanwendungen in der Industrie

Während praktisch jeder thermische Prozess auf diese Weise mit Hochtemperatur-Luft oder –Dampf versorgt werden kann, haben Anwendungen mit hohen Brennstoffkosten den größten ökonomischen Nutzen.

Von verschiedenen potenziellen Anwendungen sind die Mineralstoffindustrie der Nicht-Metalle, die Eisen- und Stahlindustrie, die Nichteisen-Metallurgie (z.B. Aluminiumrecycling) sowie die chemische Industrie die Industriesektoren mit den besten Aussichten für die Markteinführung konzentrierender solarer Systeme in Hinblick auf die Substitution von fossilen Energieträgern oder Elektrizität.

Schrott-Vorwärmung in Stahlschmelzverfahren

Der Eisen- und Stahlindustriesektor ist der Industriesektor mit dem höchsten Verbrauch an Hochtemperaturwärme.

Der dominierende Brennstoff ist billiger Koks. Trotzdem gibt es Potenzial für den Einsatz von Solarenergie in Hinblick auf die Vorwärmung von Schrott oder Erz, sowohl im Fall von Hochofen- als auch Elektroschmelzverfahren, wo teurere Elektrizität ersetzt werden kann. Bevor Schrottmetalle im Schmelzprozess eingesetzt werden können, werden sie durch heiße Luft vorgewärmt, um die mittlere Schrotttemperatur zu erhöhen und dadurch den erforderlichen Elektrizitätsbedarf für den Schmelzprozess zu verringern. Hier kann der Elektrizitätsbedarf direkt durch konzentrierende thermische Energie ersetzt werden. Eine CentRec-Anlage kann ein kommerzielles Vorheiz-System, das normalerweise fossile Brennstoffe zur Vorwärmung von Schrott und Roheisen auf rund 600 °C nutzt, mit heißer Luft versorgen. Das spart typischerweise etwa ein Drittel der Elektrizität und erhöht die Schmelzkapazität des Ofens dementsprechend. Standorte mit guter solarer Einstrahlung ermöglichen bereits wettbewerbsfähige Kosten dieser Systeme ohne weitere Förderung. Für ein konzentrierendes solarthermisches CentRec-System mit 4 MW thermischer Grundlast für die Vorwärmung von Schrott in einer brasilianischen Eisenhütte wurde eine Amortisationszeit unter vier Jahren, ohne Förderung oder Darlehen, berechnet [2].

Wärmebehandlungsprozesse

Es gibt unterschiedliche Wärmebehandlungsverfahren wie Glühen, Tempern oder Härten. Abhängig von der Art der Metalllegierung und dem Wärmebehandlungsprozess variieren die notwendigen Temperaturen beträchtlich. Zum Beispiel erfordert die Rekristallisation beim Glühen von niedriglegierten Stählen ungefähr zwischen 650 und 700 °C, während Kupfer-Legierungen zwischen 250 und 825°C benötigen, Aluminium-Legierungen erfordern 260 bis 480°C und Titanlegierungen zwischen 650 und 900 °C. Alle diese Temperaturanwendungen können durch die CentRec-Technologie versorgt werden. Wärmebehandlungsprozesse, für die es erforderlich ist, Oxidation zu vermeiden, nutzen häufig elektrische Energie als Wärmequelle. Integration von Solarwärme für die Wärmebehandlungsprozesse kann erreicht werden, indem heißes Inertgas direkt für den Wärmebehandlungsofen zur Verfügung gestellt wird und um den Energiebedarf zur Gänze oder teilweise zu substituieren. Das Inertgas würde auf dieselbe Art und Weise wie Luft direkt durch einen Partikel/Gas-Wärmetauscher erhitzt.

Thermisch verbesserte Erdölgewinnung

Ein vielversprechendes Anwendungsgebiet für solare industrielle Prozesswärme liegt im Bereich der verbesserten Erdölgewinnung (enhanced oil recovery – EOR). EOR beschreibt tertiäre Methoden der Erdölgewinnung um die Nutzungsdauer eines Ölfeldes zu verlängern, wenn Ölförderung durch konventionelles Pumpen unter Ausnutzung des natürlich vorherrschenden Drucks des Ölfeldes (primäre Ölförderung) und Fluidinjektionsmethoden zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Drucks (sekundäre Ölförderung) nicht mehr für die Förderung ausreichen. EOR ist erforderlich, um den Ölvorrat vollkommen auszuschöpfen, denn primäre und sekundäre Ölförderung nützen nur etwa 20-40% der Ölreserve, daher hat die thermisch verbesserte Ölförderung ein signifikantes Potenzial für die Industrie.

Thermisch verbesserte Ölförderung (thermal enhanced oil recovery - TEOR) ist die dominierende EOR-Technik. Beim TEOR-Verfahren wird ein auf etwa 280 bis 330 °C erhitztes Wasser-Dampf-Gemisch in ein Erdöl-Bohrloch injiziert, um die Temperatur des Reservoirs zu erhöhen und die Viskosität des verbleibenden schweren Rohöls stark zu verringern und dadurch die Extraktion zu ermöglichen. Im konventionellen Verfahren wird bisher Gas zur Dampferzeugung verwendet, doch da die Dampferzeugung auch durch das CentRec-System bewerkstelligt werden kann, ist dies eine potenzielle Anwendung für Solarenergie um die Verbrennung von fossilen Brennstoffen während des TEOR-Verfahrens zu substituieren.

Das CentRec-System hat einige Vorteile im Vergleich mit anderen TEOR Solarsystemen, die vor allem im integrierten Energiespeichersystem begründet sind. Außer verlängerten Betriebszeiten und daher größeren Brennstoffeinsparungen ist ein weiterer Vorteil das transportable Speichersystem. Da die Nutzungsdauer eines Ölfeldes oft viel geringer als die des Solarsystems ist, verbessert die Möglichkeit, Solarenergie innerhalb einiger Kilometer für benachbarte Erdölbohrungen zur Verfügung zu stellen, die Wirtschaftlichkeit eines CentRec-TEOR-Projektes enorm.

Literatur

  1. European heat market final report, 2006, Euroheat & Power, Brussels, Belgium
  2. L. Amsbeck et al., Particle Tower Technology Applied to Metallurgic Plants and Peak-time Boosting of Steam Power Plants, in: Proceedings of the SolarPACES Conference 2015, Capetown, South Africa.

Personenbeschreibung der AutorInnen

Tobias Prosinečki und Dr. Lars Amsbeck sind als Wissenschafter am DLR – Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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