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Ressourcenschonende Nachverdichtung im großvolumigen Wohnbau

von Heimo Staller, Patrick Lüftenegger, Werner Nussmüller, Robert Jöbstl und Benjamin Schaffer

Die Sanierung und Nachverdichtung bestehender Siedlungsgebiete trägt maßgeblich zur Reduktion der Betriebsenergie von Gebäuden, zur Reduktion des mobilitätsbedingten Energieverbrauches, sowie zur Minimierung des Verbrauches endlicher Ressourcen bei. Im Rahmen des Forschungsprojekts ROOFBOX wird ein Bausystem aus vorgefertigten Raumzellen in Holzbauweise für die Nachverdichtung von großvolumigen Wohnbauten entwickelt.

Ausgangslage

Der hochwertigen Sanierung und der Nachverdichtung von bestehenden Siedlungsgebieten kommt auf Grund der energiepolitischen, raumplanerischen und soziökonomischen Auswirkungen enorme Bedeutung zu. Ein kurzer Blick auf die aktuelle Situation der österreichischen Siedlungsentwicklung zeigt den dringenden Handlungsbedarf in Richtung nachhaltiger Raumplanung:

Einem nur geringfügigen Bevölkerungswachstum (+ 1,2 % in den letzten 3 Jahren) steht eine starke Steigerung des Flächenverbrauchs (+ 5,2 % in den letzten 3 Jahren) gegenüber. Laut Umweltbundesamt beträgt der tägliche Verbrauch für die Siedlungs- und Verkehrstätigkeit ca. 10 Hektar und der Gesamtflächenverbrauch (inkl. Sportflächen, Abbauflächen usw.) 24 Hektar (Durchschnitt der 3 Jahres-Periode 2008–2011) [1]. Die Österreichische Bundesregierung hat in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie im Leitziel 13 eine Reduktion des täglichen Flächenverbrauches von 25 ha (2002) auf 2,5 ha (2010) definiert, ein Wert der derzeit um das Zehnfache überschritten wird [2].

Im ländlichen und mittelstädtischen Bereich weisen viele bestehende Siedlungsgebiete noch enorme Potenziale zur Erhöhung der Nutzflächen (Bebauungsdichte) auf, da die von der Raumplanung vorgegebenen Bebauungsdichten noch nicht vollständig ausgeschöpft wurden. Aber auch im städtischen Bereich weist die Nachverdichtung durch Dachgeschossausbau/Aufstockung noch große, brachliegende Potentiale auf.

Sanierungen und Nachverdichtungen von Bestandsgebäuden sind im aktuellen Baugeschehen nach wie vor Einzellösungen. Umfassende Konzepte für standardisierte, vorgefertigte Systeme liegen bis auf wenige Ausnahmen für den Fassadenbereich (wie z.B. im HdZ Plus Forschungsprojekt „e80^3“) nicht vor. Viele Akteure des Baubereichs (PlanerInnen, Holzbaufirmen, etc.) erkennen zwar ein großes Zukunftspotential im Bereich der Vorfertigung für Sanierung und Nachverdichtung, wagen jedoch auf Grund ihrer mittelständisch ausgerichteten Firmenstruktur (geringe Forschungsbudgets, keine eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen) diesen Entwicklungsschritt nicht. Die Zusammenarbeit von erfahrenen Unternehmenspartnern und wissenschaftlichen Partner kann diese Lücke schließen und innovative, praxistaugliche Konzepte entwickeln.

Das Forschungsprojekt ROOFBOX

In dem vom Klima- und Energiefonds des Bundes im Rahmen der Programmlinie „e!Mission.at“ geförderten Forschungsprojekt „ROOFBOX – Ressourcenschonende Nachverdichtung von großvolumigen Mehrfamilienhäusern mit vorgefertigten Raumzellen in Holzbauweise“ werden von AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (Projektleitung), SIR - Salzburger Institut für Raumordnung & Wohnen, Nussmüller Architekten ZT GmbH, Haas Fertigbau Holzbauwerk GmbH & Co KG und TBH Ingenieur GmbH vorgefertigte Raumzellen für die Nachverdichtung/Aufstockung von Bestandsobjekten im großvolumigen Wohnbau konzipiert. Das Projekt ROOFBOX umfasst dabei folgende Punkte:

  • Entwicklung von vorgefertigte Raumzellen in Holzbauweise im Passivhausstandard
  • Entwicklung von vorgefertigten Haustechnikmodulen für Energieerzeugung, Speicherung,
  • Bereitstellung und Verteilung in der ROOFBOX (ROOFBOX ENERGY) mit Anbindungsmöglichkeit an die Haustechnikschächte des Bestandsgebäudes
  • Integration von vorgefertigten aktiven Solarsystemen (PV, Solarthermie) auf/an den Raumzellen
  • Anschlussmöglichkeit an das im Forschungsprojekt e80^3 entwickelte Fassadensystem

Abbildung 1: Konzept ROOFBOX. Quelle: AEE INTEC

In einem ersten Arbeitsschritt wurden die Anforderungen für vertikale Erweiterungen auf konstruktiver, baugesetzlicher, raumplanerischer, architektonischer und sozio-ökonomischer Ebene definiert. Eine Darstellung der wichtigsten Wohnbautypologien von 1945 – 1980 im mehrgeschossigen Wohnbau, sowie eine Abschätzung des „Aufstockungspotentials“ mit der ROOFBOX waren Teil weiterer Untersuchungen.

Das Forschungsprojekt geht davon aus, dass die größten Potentiale für Aufstockungen mit der ROOFBOX bei Wohnbauten liegen, bei denen eine Sanierung geplant ist. Die Kombination von umfassender Sanierung und Aufstockung mit der ROOFBOX bietet Bauträgern Vorteile, da durch die kostengünstige Errichtung neuer verkauf- und vermietbarer Nutzflächen hochwertige energetische/ökologische Bestandsanierungen leichter finanziert werden können.

Die Recherchearbeiten bestätigen im Wesentlichen die im Projektantrag getroffene Annahme, dass großvolumige Wohnbauten der Baualtersklasse 1945 – 1980 die größten Potentiale für Nachverdichtungen mit dem ROOFBOX-System haben. Gespräche mit österreichischen Wohnbauträgern zeigten jedoch, dass Wohngebäude, die vor 1960 errichtet wurden, auf Grund ihres schlechten Bauzustandes, ihrer schlechten Wohnqualität (Grundrissgestaltung, kleine Wohneinheiten, etc.) und der hohen Sanierungskosten meistens nicht mehr saniert, sondern abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Des Weiteren wurden viele Gebäude dieser Baualtersklasse bereits saniert (Fenstertausch, Dämmmaßnahmen, etc.), wodurch zukünftige Sanierungsmaßnahmen erst in ferner Zukunft zu erwarten sind. Als Baualtersklassen mit dem höchsten Potential für vertikale Nachverdichtungen kristallisieren sich daher Gebäude des Errichtungszeitraumes 1960 – 1980 heraus, da diese den größten Anteil an noch nicht sanierten Objekten aufweisen und auch die städtebauliche und architektonische Gestaltung (einfache, standardisierte Bebauungsweise und Gebäudetypologien) für eine standardisierte Nachverdichtung spricht.

Abbildung 2: Verteilung großvolumiger Wohnbauten nach Baualtersklassen und zugeordneter Heizwärmebedarf. Quelle: AEE INTEC

Konstruktives und architektonisches Konzept der ROOFBOX

Das Forschungsprojekt geht von einem vorgefertigten Holzbaumodul (Raumzelle) mit hohem Ausbaugrad (schlüsselfertig) aus. Dieses Konzept punktet durch eine rasche Bauzeit, stellt aber in Bezug auf die Transportlogistik, der beschränkten Modulbreite und dem höheren Anteil an Konstruktionsfläche eigene Anforderungen.

Der (LKW)- Transport von Holzbaumodulen in Raumzellenbauweise schneidet – im Vergleich zur Tafelbauweise - auf Grund des großen Platzbedarfes (Transport von „Luft“) und den dadurch verursachten höheren LKW-Kilometern ökonomisch und ökologisch schlechter ab. Des Weiteren führt die Limitierung der Transportbreite (max. 3,40 m als Sondertransport möglich) zu einer Beschränkung der Grundrissgestaltung. Die Längenbegrenzung für den LKW-Transport (bis zu ca. 20 m) stellt in nahezu allen Fällen keine Einschränkung dar, da typische Wohnungsgrundrisse eine Tiefe von ca. 12 m aufweisen. Durch die horizontale und vertikale Addition der Raumzellen reduziert sich im Vergleich zur Tafelbauweise, wo immer ein Wand- oder Deckenelement als Raumbegrenzung dient, auch die Nutzfläche der Aufstockung, da im Regelfall immer zwei Wand- und Deckenelemente aneinander gefügt werden müssen. Auf Grund der dynamischen Belastung bei der Montage mit dem Baukran benötigen Raumzellen auch zusätzliche Aussteifungen.

Auf Grund o.a. Aspekte wurde im Projektteam ein Konzept entwickelt, das die Vorteile der Tafel- und der Raumzellenbauweise vereint: Zwischen einzelnen vorgefertigten voll installierten Raumzellen werden flächige Bauteile mit variablen Elementbreiten montiert. Durch dieses Konzept erhöht sich die Flexibilität bei der Grundrissgestaltung/Anpassung an den Bestand und die Anzahl der LKW-Fahrten kann verringert werden. Es kann natürlich mit diesem System aber auch Raumzelle an Raumzelle montiert werden. In den Raumzellen könnten Räume mit hohem Installationsaufwand (Bäder, WCs, Küchen, etc.) leicht untergebracht werden, da diese Räume im Gegensatz zu Wohnräumen geringere Raumbreiten aufweisen.

Als wand- und deckenbildendes Material sowohl für die Raumzellen als auch für die Füllelemente sind im derzeitigen Entwicklungsstand Brettstapelelemente angedacht. Als wesentliche Vorteile für diese Elemente können die Steifigkeit (Scheibe, keine zusätzlichen Aussteifungen) und die Robustheit bei der Montage angeführt werden.

Die Baumaterialien und deren Zustand im Bestand sind entscheidend für den Anschluss der ROOFBOXen. In der Regel findet man bei sanierungsbedürftigen Bauwerken Planabweichungen vor, die mit der hohen Anforderungen an den Wohnbau und die Genauigkeit des Holzbaus nicht vereinbar sind und erfordern daher einen entsprechenden Ausgleich zumindest des Nivellements. Je nach Ausführung des Bestandes ist geplant, diesen Ausgleich in Form eines Betonrostes (auf Beton oder Ziegeldecken), oder aber auch in Form eines Holz- oder Stahlrahmens auszubilden. Damit wird eine definierte Auflagersituation für die ROOFBOX geschaffen, die auch eine gezielte Unterbindung der Schallnebenwege erlaubt.

Zusammenfassung und Ausblick

Das ROOFBOX-Projekt ist auf großes Interesse seitens Wohnbauträger und anderen Akteuren des Baubereichs gestoßen. Mit der GSWB - Gemeinnützige Salzburger Wohnbaugesellschaft m.b.H wurde im Rahmen des Forschungsprojektes an Hand einer Wohnsiedlung in der Stadt Salzburg ein theoretisches Fallbeispiel bearbeitet, das große Chancen auf eine tatsächliche Realisierung hat. Der Projektpartner Haas Fertigbau Holzbauwerk GmbH & Co KG wird das ROOFBOX-System in sein Produktportfolio aufnehmen. Ein Prototyp der ROOFBOX kann ab Mitte Mai 2016 am Firmengelände von Haas Fertigbau in Großwilfersdorf von Interessenten besichtigt werden.

Logo des Förderers

Literatur

  1. http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/raumordnung/flchen-inanspruch/
  2. Die österreichische Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, 2002

Autorenbeschreibung

DI Heimo Staller ist im Bereich Nachhaltige Gebäude bei AEE INTEC tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Patrick Lüftenegger ist im Bereich Energie und Wohnbauforschung von SIR - Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen tätig.

DI Werner Nussmüller ist Geschäftsführer von Nussmüller Architekten ZT GmbH.

DI Robert Jöbstl ist Leiter für Forschung und Entwicklung der Haas Group.

DI Benjamin Schaffer ist Mitarbeiter des Technischen Büros TBH Ingenieur GmbH.

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