Zeitschrift EE

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Wertstoffrückgewinnung und Schließung des Wasserkreislaufes in der Galvanikindustrie

Christian Platzer und Sarah Meitz

In den energie- und ressourcenintensiven Branchen der produzierenden Industrie wie beispielsweise der Metallerzeugung und –verarbeitung sollen Produktionsprozesse durch die effiziente Nutzung von Ressourcen und durch den Einsatz von erneuerbaren Energiequellen in Zukunft nachhaltiger gestaltet werden. Im Rahmen des Projektes „Galvano-MD“ wurde daher ein neuartiges Membrandestillationsverfahren (MD) zur Rückgewinnung von wertvollen Galvanikbadinhaltsstoffen und zur Schließung des Wasserkreislaufes in der Galvanikindustrie entwickelt. Eine weitere Zielsetzung des Projektes war es das MD-Verfahren dahingehend zu optimieren, dass der thermische Energiebedarf ausschließlich aus der Abwärme des Galvanikprozesses klimaneutral bereitgestellt werden kann.

Konzentrationsverlauf von Spülwasser bis hin zu wieder nutzbarer Passivierungsflüssigkeit, Quelle AEE  INTEC

Ausgangslage

In Galvanikprozessen der Metalloberflächenbehandlungsindustrie werden kostspielige Wirkstoffe wie beispielsweise Passivierungsflüssigkeiten eingesetzt. Nach dem eigentlichen Aktivbad besteht die Notwendigkeit die galvanisierten Werkstoffe abzuspülen. Dabei entstehen große Mengen an mit den Galvanikwirkstoffen „verunreinigtem“ Ab- bzw. Spülwasser. Mangels effizienter Rückgewinnungstechnologien werden diese Abwässer derzeit ungenutzt verworfen bzw. müssen aufwändig gereinigt werden. Die wertvollen Galvanikwirkstoffe gehen dabei mit dem Spülwasser verloren.

Galvanikstraße bei der Roto Frank GmbH in Kalsdorf, Quelle Roto Frank GmbH

Der Lösungsansatz

Um die wertvolle Passivierungsflüssigkeit wieder nutzbar zu machen muss diese aus dem Spülwasser abgetrennt werden. Dies geschieht indem man mittels MD-Verfahren von Passivierungsspülwasser solange reines Wasser abtrennt bis die ursprüngliche Konzentration der Passivierungsflüssigkeit erreicht ist. Das abgetrennte Reinwasser kann wiederum in die Spüle rückgeführt werden. Konventionelle Trennverfahren weisen meist einen relativ hohen thermischen und/oder elektrischen Energieverbrauch auf. Die Membrandestillation (MD) bietet eine energieeffiziente Alternative mit geringerem thermischen als auch elektrischen Energieverbrauch.

Wie funktioniert eigentlich die Membrandestillation?

Jeder Besitzer einer Gore-Tex Regenjacke hat bereits, wenn vermutlich auch nicht bewusst, das Membrandestillationsverfahren für sich aktiv genutzt. Eine Gore-Tex Jacke ist einerseits wasserdicht, gleichzeitig aber auch atmungsaktiv. Wasserdampf kann durch die Gore-Membran problemlos nach außen entweichen, für flüssiges Wasser hingegen stellt die hydrophobe Membran eine unüberwindbare Barriere dar. Die Temperatur ist auf der Jackeninnenseite, bedingt durch die Körpertemperatur, höher als an der kalten Außenseite. Daraus resultiert zwischen der warmen und kalten Seite eine sogenannte Partialdampfdruckdifferenz. Diese Druckdifferenz ist die treibende Kraft, die das Wasser bereits bei geringen Temperaturen verdampfen und den Wasserdampf durch die hydrophobe Membran nach außen entweichen lässt. Diesen besonderen Effekt einer hydrophoben Membran macht man sich auch bei der Membrandestillation in der industriellen Anwendung zunutze. Die treibende Kraft der MD ist in diesem Fall eine Dampfdruckdifferenz zwischen der warmen Feedseite (im konkreten Fall dem belasteten Galvanikabwasser) und der kalten Permeatseite (dem gereinigten Destillat) der Membran.

Funktionsprinzip des MD-Verfahrens, Quelle AEE INTEC

Feed-Temperaturen von rund 30-80°C ermöglichen die effiziente Bereitstellung des thermischen Energiebedarfs durch Abwärme aus anderen Galvanikprozessen. Auf der Permeatseite der Membran fließt reines bzw. gereinigtes Wasser, welches eine niedrigere Temperatur aufweist als das Feed. Im Vergleich zu konventionellen thermischen Verdampfungsverfahren ist der thermische Energiebedarf der Membrandestillation daher deutlich geringer, wobei für die Leistungsfähigkeit der MD nicht das absolute Temperaturniveau, sondern die Temperaturdifferenz zwischen der Feed- und der Permeatseite maßgebend ist. Ein großer Vorteil der Membrandestillation gegenüber konventionellen Verdampferanlagen besteht zudem darin, dass ausschließlich Kunststoffe eingesetzt werden und keine hochlegierten Stähle für den Korrosionsschutz erforderlich sind. Hierdurch ergibt sich ein erhebliches Potenzial zur Reduzierung der Investitionskosten.

Versuchsergebnisse

Im Rahmen des Projektes wurde in Zusammenarbeit mit dem Projektpartner ROTREAT Abwasser GmbH eine MD-Technikumsanlage entwickelt und in Containerbauweise beim Galvanikunternehmen Roto Frank Austria GmbH in Kalsdorf bei Graz installiert. Roto Frank produziert am Standort Kalsdorf hochwertige Beschläge für Fenster und Türen und ist zudem als Zulieferer für die Automobilindustrie tätig. Das Unternehmen betreibt zwei eigene Galvaniklinien. Für das Projekt stellte Roto Frank Galvanikflüssigkeiten sowie Laborequipment zur Verfügung.

Ausgangspunkt der Aufkonzentrierungsversuche war die Einbindung der Membrandestillation in den Metalloberflächenbehandlungsprozess selbst. Dabei war es das Ziel herauszufinden, ob es möglich ist, das Spülwasser bis auf die Zielkonzentration des Passivierungs-Wirkbades bezüglich der Inhaltsstoffe Chrom (Cr) und Kobalt (Co) aufzukonzentrieren. Des Weiteren galt es die Grenzkonzentrationen für Eisen (Fe) und Zink (Zn) nicht zu überschreiten, da diese Stoffe sonst als Inhibitoren (Hemmstoffe) der Passivierung wirken.

Eine zusammenfassende Übersicht über die Verläufe der einzelnen Konzentrationen ist in der Abbildung ersichtlich. Betrachtet man den Konzentrationsverlauf von Chrom zeigt sich, dass das Erreichen der geforderten Zielkonzentration (>1500 mg/l) nach einer abgetrennten Wassermenge im Feed von 230 kg (≙40 % der Ausgangsfeedmenge) erfolgte. Beim Verlauf der Konzentration von Kobalt wird die Zielkonzentration (>600 mg/l) bei ca. 360 kg Massenverlust des Feed (≙ 63 % der Ausgangsfeedmenge) Massenverlust des Feed erzielt. Die Konzentrationen der Störstoffe Zink und Eisen in der aufkonzentrierten Passivierungsflüssigkeit liegen mit 10 064 mg/l für Zink und 3,86 mg/l für Eisen noch deutlich unterhalb der angegebenen Grenzkonzentrationen (Zn<15.000 mg/l und Fe<100 mg/l). Ausgeführt wurden die Versuchsreihen mit speziell entwickelnden Spiralwickelmodulen des Herstellers SolarSpring GmbH aus Deutschland. Der Parallelbetrieb von mehreren Modulen erlaubt eine flexible Anpassung der Membranflächen an den Abwasseranfall. Im Rahmen der Versuche wurden bis zu 5 Module zu je 1,44 m² Membranfläche parallel betrieben. Die gesamte wirksame Membranfläche ergab somit 7,2 m2.

Spiralwickel-Membranmodul (Grün) im Versuchseinsatz in der MD-Technikumsanlage  Quelle AEE INTEC

Konzentrationsverläufe der Inhaltsstoffe Chrom, Kobalt, Zink und Eisen aus den Aufkonzentrierungsversuchen

Betrachtung der energetischen Integration des MD-Verfahren

In der Galvanikhalle von ROTO Frank steht vor allem Abwärme aus der Kälteanlage (45°C), sowie der Druckluft-Kompressionsanlage (85°C) kostenlos zur Verfügung. Weitere potentielle Abwärmequellen sind für eine kostengünstige Einbindung räumlich ungünstig weit entfernt. Die Nutzung der Abwärme aus der Kälteanlage ist aufgrund der örtlichen Situierung trotz der geringen Abwärmetemperatur am praktikabelsten. Die tiefe MD-Betriebstemperatur von etwa 40°C bedingt zwar einen etwas geringeren transmembranen Fluss im Vergleich zu einer höheren MD-Betriebstemperatur. Der Energiebedarf kann dafür zur Gänze aus Abwärme bereitgestellt werden. Die Versuche haben gezeigt, dass mit dem MD-Verfahren auch bei geringen Temperaturniveaus von nur 40°C die Zielkonzentrationen problemlos erreichbar sind.

Zusammenfassung

Im Zuge der experimentellen Untersuchungen konnte die Machbarkeit des Einsatzes der Membrandestillation zur Aufkonzentrierung von Passivierungsflüssigkeiten erfolgreich nachgewiesen werden. Neben der Beständigkeit der Membran konnte eine deutlich höhere Aufkonzentrierung des Spülwassers als die zunächst geforderte Wirkbadkonzentration erreicht werden.
Auch bezüglich der energetischen Eingliederung in den Gesamtprozess der Metalloberflächenbehandlung bestätigte sich das große Potential. So kann die Membrandestillation am Standort ROTO FRANK Kalsdorf trotz erschwerter Rahmenbedingungen bei einer optimierten Betriebsweise zur Gänze durch vorhandene Abwärme und somit CO2-neutral betrieben werden.

Die Projektpartner AEE INTEC und ROTREAT Abwasser GmbH wurden am 3. Oktober 2016 für die Innovation mit dem ACR-Kooperationspreis 2016 ausgezeichnet. Der Preis wurde im Rahmen der ACR-Enquete von Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner überreicht.

Weitere Informationen

https://www.youtube.com/watch?v=Fvaznkbv8HU

Das Projekt wurde im Rahmen der 4. Ausschreibung des Forschungs- und Technologieprogramms „e!MISSION.at – Energy Mission Austria“ vom Klima- und Energiefonds gefördert.

Logo des klima energie fonds

Statement

Porträt von Robert Gampmayer, Rotreat Abwasserreinigung GmbH

„Energieeffizienz und Wertstoffrückgewinnung sind Ziele, die sich nur durch Innovationen realisieren lassen. Eine Forschungskooperation mit einem Forschungsinstitut wie AEE INTEC hat großes Potenzial. Nicht nur für uns in diesem speziellen Feld, sondern auch für die österreichische Wirtschaft und die vielen kleinen Unternehmen.“

- Robert Gampmayer, Rotreat Abwasserreinigung GmbH

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Christian Platzer ist Projektleiter des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Dipl.-Ing. (FH) Sarah Meitz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme bei AEE INTEC.


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