Zeitschrift EE

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Stadtplanung mit Energie

Helmut Strasser, Oskar Mair am Tinkhof

Methoden zur Umsetzung von Energiestrategien in Städten und Gemeinden

Mehr als 70 % der globalen Treibhausgas-Emissionen werden durch menschliche Aktivitäten in Städten verursacht. Städte können einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der im Dezember 2015 in Paris festgelegten CO2-Reduktionsziele leisten. Die Koordination von Stadt- und Energieplanung auf lokaler Ebene stellt dabei einen zentralen Baustein/Prozess zur Erreichung dieser globalen Ziele dar. Allerdings lag der Fokus in der Vergangenheit eher auf der Gebäude- bzw. Technologieebene; suboptimale Lösungen oder ein Scheitern gestarteter Umsetzungsprozesses waren oftmals die Folge. Um die erfolgreiche Umsetzung von Energiestrategien im städtischen Bereich zu unterstützen, müssen umfassende Lösungen auf Stadtteilebene gefunden und Stadt- und Energieplanungsprozesse noch besser miteinander verknüpft werden. Im Rahmen des Programms „Energie in Gebäuden und Kommunen (EBC)“ der Internationalen Energieagentur (IEA) werden deshalb Empfehlungen für die Gestaltung optimierter Energieraumplanungsprozesse erarbeitet (IEA EBC Annex 63 – Umsetzung von Energiestrategien in kommunen). Grundlage bilden die Analysen von bestehenden Planungsprozessen, gesetzlichen Rahmenbedingungen und Fallstudien im Bereich der Stadt- und Energieplanung aus elf Ländern, untermauert durch Feedbackschleifen in 22 Städten.

Handlungsfelder für die Umsetzung von kommunalen Energiestrategien

Stadtplanungs- und Energieraumplanungsprozesse laufen weltweit mehr oder weniger gleich ab:

Zielsetzung – Status quo-Analyse – Potenzialanalyse – Projektentwicklung – Umsetzung und Monitoring.

Jeder Schritt wird dabei von verschiedenen (politischen) Instrumenten beeinflusst: bekannte Instrumente der Stadtplanung, (neue) Instrumente der Energieplanung (z. B. Energiepotenzialkarten) sowie prozessbezogene Planungsinstrumente. Jedes Instrument funktioniert unter bestimmten festgelegten Bedingungen, welche sich oftmals von Land zu Land unterscheiden. Die Analyse der bestehenden Planungsprozesse, Instrumente und Rahmenbedingungen in den teilnehmenden Ländern führte zur Identifikation einer Fülle von relevanten Maßnahmen. Unter „Maßnahme“ wird dabei eine Aktion oder ein Programm verstanden, mit dem ein Umsetzungsprozess beeinflusst werden kann. Diese Maßnahmen unterscheiden sich zum einen durch ihre Wirkungsweise bzw. ihren Verbindlichkeitsgrad und werden mit „Ermöglichen“, „Ermutigen“ bzw. „Erzwingen“ beschrieben. Durch eine weitergehende Analyse der Funktionsweisen dahinter (was funktioniert wie und warum) konnten diese Maßnahmen zu neun Handlungsfeldern, welche die Entwicklung von integralen Planungs- bzw. Energiestrategien für Kommunen unterstützen, gruppiert werden. Wie in der Abbildung dargestellt, ist die Bearbeitung jedes Handlungsfeldes erforderlich, um einen oder mehrere Planungsschritte zu optimieren.

Neun Handlungsfelder für die Umsetzung von Energiestrategien in Kommunen. Quelle: SIR, 2016

Für jedes dieser Handlungsfelder liegen mit Abschluss der Arbeiten weitergehende Informationen und Empfehlungen zur Bearbeitung vor. Zurzeit wird an mehreren Produkten wie Leitlinien für Planer, einem ppt-Folienpool für Berater, einer Beschreibung der erforderlichen Kapazitäten und Fähigkeiten von Stadtplanern und Unterrichtsmaterialien für die Lehre gearbeitet. Diese sollen einerseits die gegenwärtige Planungspraxis unterstützen, andererseits werden aus den Erfahrungen Empfehlungen für verschiedene Zielgruppen (Planer, Gesetzgeber und Forscher) abgeleitet.

Im Folgenden wird beispielhaft ein Aspekt näher vorgestellt.

Stakeholdereinbindung

Eine integrierte Energie- und Stadtplanung mit dem Ziel einer dekarbonisierten Energieversorgung hat nicht zu übersehende Auswirkungen auf die Stadt und damit Bevölkerung, beispielsweise in Fragen der Bebauungsdichte oder der PKW-Stellplätze und anderen Mobilitätsangeboten. Darüber hinaus braucht es die für die Umsetzung entscheidenden Akteure, vor allem wenn es um Investitionen geht. Es geht also einerseits darum, möglichst frühzeitig im Planungsprozess diese Akteure und ihre Rollen zu identifizieren. Daraus ergeben sich die verschiedenen Möglichkeiten zur gezielten Einbindung (informieren-beraten-einbeziehen- zusammenarbeiten-befähigen). Vor allem wird eine Einbindung von Umsetzungspartnern nur erfolgreich sein, wenn jeder Beteiligte einen Nutzen für sich sehen kann (Win:Win-Strategie). Beispielsweise kann der Prozess zur Entscheidungsfindung für eine thermische Sanierung einer ganzen Siedlung erst durch eine Strategie einer umfassenden Modernisierung mit gleichzeitiger Verbesserung der Freiflächenqualitäten, der Öffentlichen-Verkehrs-Infrastruktur oder ähnlichem erfolgreich werden. Das bedeutet, dass im Zuge eines Planungsprozesses neben den eigentlichen Benefits aus Sicht des Planers auch die sogenannten Co-Benefits (die für die Betroffenen die eigentlichen Benefits sein könnten) betrachtet werden. Unter Umständen ist auch eine Anpassung bisher üblicher Planungspraktiken erforderlich.

Solarenergie in der Stadtplanung

Für das Handlungsfeld „Erneuerbare Energie“ bietet auch ein Forschungsvorhaben des Programms „Solares Heizen und Kühlen (SHC)“ der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 51 - Solare Energie in der Stadtplanung) Methoden, Werkzeuge und Empfehlungen zur Integration von Solarenergie in Stadtplanungsprozessen. Das internationale Team der Experten aus 12 Ländern hat unter anderem einen Katalog erarbeitet, der die weltweiten Best Practice Beispiele für die Integration der solaren Energie im städtischen Umfeld erfasst hat. Damit werden städtische Planungsprozesse frühzeitig unterstützt und im Rahmen der Task 51-Aktivitäten wurde dazu eine umfangreiche Publikation erarbeitet.

Einzelne Österreichische Städte können bereits auf eine gute Grundlage bei der Bearbeitung der einzelnen Handlungsfelder zurückgreifen. So haben die Städte Salzburg und Wien mit ihren jeweiligen Masterplänen und Rahmenstrategien auch die erforderlichen organisatorischen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Umsetzung von Energiestrategien in Kommunen geschaffen.
(siehe auch Artikel „Strategien für eine zukunftsweisende Stadtentwicklung“ in dieser Ausgabe)

Schlussfolgerungen

Die Erreichung der Klimaschutzziele braucht auch den Beitrag der Stadtplanung, um erfolgreich zu sein, denn auf der Ebene von Gebäudeverbünden bzw. Siedlungen lassen sich relevante Fragen wie Nutzungsmischung, Bebauungsdichte, Energieversorgung oder Mobilität behandeln. Aus vielfältigen Gründen wird dieses Potenzial aber oft nicht genutzt. Die vorgestellten Arbeiten versuchen daher einen Beitrag zu leisten mehr Energie in Stadtplanungsprozesse zu bringen, indem die wesentlichen Handlungsfelder aufgezeigt und Lösungsansätze präsentiert werden. Zugleich braucht es neben technologischen Entwicklungen noch weit mehr an Bemühungen, um ein wechselseitiges Verständnis von Energie- und Stadtplanung aufzubauen, was zu Innovationen in der Gestaltung von Planungsprozessen führen wird. Letztendlich geht es auch um Klarheit darüber, bei wem die Energieplanungskompetenz für ganze Siedlungen bzw. Stadtteile liegt.

Für Gemeinden lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:

  1. Für Gemeinden, welche nachhaltig einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen, empfiehlt sich ein strategischer Planungsprozess. Dieser umfasst in einem ersten Schritt das Screening der oben beschriebenen Handlungsfelder zum Zweck der Identifikation vorhandener Lücken und des aktuellen Bedarfs. In einem nächsten Schritt geht es um die Festlegung von Visionen und Zielen und die Schaffung der entsprechenden Organisationsstrukturen innerhalb der Gemeinden. Daraus können schließlich langfristige Entwicklungskonzepte für die integrale Stadt- und Energieplanung abgeleitet werden. Dieser Prozess kann durch Programme wie z. B. das e5-Programm für energieeffiziente Gemeinden oder den European Energy Award begleitet werden.
  2. Für Gemeinden, welche aktuell ein größeres Bauvorhaben umsetzen in welchem Kosten und Energieeffizienz einen hohen Stellenwert einnehmen, empfiehlt sich ein integraler Planungsprozess. Dabei geht es um die Identifikation und aktive Einbindung aller relevanten Beteiligten (z. B. Bauträger, Energieversorger, Gemeinden) und die optimale Nutzung bestehender Instrumente (z. B. Wettbewerbe, Ausschreibungen, Verträge). Dieser Prozess kann durch externe ExpertInnen begleitet und qualitätsgesichert und im Idealfall in einen strategischen Planungsprozess übergeführt werden.

Weiterführende Informationen

www.annex63.org
www.iea-ebc.org/projects/ongoing-projects/ebc-annex-63
www.task51.iea-shc.org/
www.e5-gemeinden.a
t
www.european-energy-award.org

Logos

Autoren

DI Helmut Strasser, SIR – Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen, Leiter des Fachbereichs Energie und Operating Agent des IEA EBC Annex 63. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Oskar Mair am Tinkhof, SIR – Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen, Projektmanager

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