Zeitschrift EE

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Optimierung von Solarenergienutzung in urbanen Energiesystemen

Eva Fleiß, Stefanie Hatzl, Teresa Kallsperger, Ernst Meißner, Karl Stöger, Gerhard Schnedl, Alexandra Würz-Stalder

Ausgangssituation

In urbanen Energiesystemen nimmt die Nutzung von Solartechnologien bisher eine untergeordnete Rolle ein. Aufgrund zahlreicher Vorteile ist eine zentrale Rolle in der Stadt der Zukunft jedoch wünschenswert. Ziel des Projektvorhabens URSOLAR war es, eine Roadmap zur integrierten urbanen Solarenergienutzung zu erstellen, die aufzeigt, wie Solartechnologien angepasst an bestehende rechtliche und energietechnologische Gegebenheiten in drei idealtypischen Stadtquartieren optimal genutzt werden können, sowie welche Geschäftsmodelle für die Umsetzung in Frage kommen.

Auswahl typischer Stadtquartiere

Um die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere österreichische Städte zu gewährleisten, erfolgte im Anschluss an die Begutachtung relevanter Charakteristika städtebaulicher Strukturen in der Stadt Graz wie z. B. Bauweisen, Bebauungsdichten und Bebauungsformen bis hin zu gebäudespezifischen Merkmalen wie Dach- und Fassadeneignungen ein Abgleich mit anderen österreichischen Städten. Ausgewählt wurden drei urbane Quartierstypen, die im Hinblick auf ihre Eignung zur Umsetzung von Solarenergieprojekten untersucht wurden: Quartier I „Gründerzeitblock“, Quartier II „zeilenförmiger Geschoßbau mit angrenzendem Hallenbau“ und Quartier III „zeilen- und hofförmiger Geschoßbau“.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die derzeitig geltende rechtliche Lage in Österreich wurde in Bezug auf Photovoltaik (PV) und Solarthermie begutachtet. Dabei zeigte sich, dass PV‑Projekte aus rechtlicher Sicht weitaus komplexer sind als Solarthermie-Projekte. Im baurechtlichen Rahmen bestehen relativ wenige Beschränkungen. Gerade in altstadtnahen Gebieten wird die Verwirklichung von Solarenergieanlagen aber durch Ortsbildschutzvorschriften (z. B. Grazer Altstadterhaltungsgesetz, Denkmalschutzrecht) erschwert. Während raumrechtlich große Ähnlichkeiten zwischen PV und Solarthermie festzustellen sind, gehen die sonstigen regulatorischen Rahmenbedingungen weit auseinander. PV‑Anlagen unterliegen dem Elektrizitätswirtschaftsrecht, daher muss geklärt werden, ob eine elektrizitätsrechtliche Bewilligung notwendig ist, der Betreiber der Anlage als Elektrizitätsunternehmen anzusehen ist und wie die Verteilung des Stroms erfolgt. Das wesentlichste Problem liegt im dritten Punkt. Zentral ist das den jeweiligen Verteilernetzbetreibern zukommende Recht auf Netzanschluss, nach dem sie alle Endverbraucher und Erzeuger innerhalb ihres Netzgebiets an ihr Netz anschließen dürfen, was Versorgungsmonopole der Netze schafft. Eine Durchbrechung des Monopols ist durch die Direktleitung möglich, die Erzeuger und Kunden auch innerhalb eines Verteilernetzgebiets direkt verbinden darf. Allerdings gelten im urbanen Raum Leitungen in Wohnhausanlagen nicht als Direktleitungen. Das Problem könnte derzeit vor seiner Lösung durch eine geplante, aber zuletzt verzögerte Gesetzesänderung (Novelle des Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetzes) stehen. Sollte die Gesetzesänderung eintreten, ist damit zu rechnen, dass die rechtlichen Hindernisse für die Verwirklichung von PV‑Projekten im urbanen Raum geringer werden. Weiterhin gewisse Schwierigkeiten bereiten werden neben ortsbildschutzrechtlichen Fragen solche des Bestandrechts (insbesondere Mietrecht, Genossenschaftsrecht).

Identifikation quartiersangepasster Energiesystemlösungen

Dazu wurde für ein durchschnittliches Gebäude aus jedem Quartier bzw. für das Gesamtquartier der Strombedarf (Allgemeinstrom, Haushaltsstrom und ggf. Warmwasserbereitung) und Wärmebedarf (Raumheizung und ggf. Warmwasserbereitung) sowie die mit den verfügbaren Dach- und Fassadenflächen erzielbaren Solarerträge (Solarthermie und Photovoltaik) berechnet. Die Simulationsergebnisse zeigten, dass bei einer Vollbelegung der verfügbaren Dachflächen mit PV für eine optimale Ausnutzung des Stromes eine Verteilung unter den Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus erforderlich ist, um den Eigennutzungsanteil von 10 – 15 % auf ca. 70 % (bzw. inkl. intelligenter Laderegelung für die Warmwasserbereitung auf ca. 90 %) zu steigern. Der damit erzielbare Deckungsgrad am Gesamtenergiebedarf Strom von über 30 % kann mit einer gebäudeübergreifenden Nutzung (Quartier mit Gewerbe) um etwa 5 % bis 10 % gesteigert werden. Für eine optimale Nutzung der thermischen Solarenergie (d. h. auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte) ist es wichtig, dass in den Gebäuden geeignete zentrale Heizungs- und/oder Warmwassersysteme installiert sind. Unter dieser Voraussetzung können ca. 30 % des Energiebedarfs für Warmwasser und Heizung abgedeckt werden. Durch die Vollbelegung des Daches mit Solarthermie wird im Sommer ein Energieüberschuss erzeugt, der entweder über ein Mikro- oder Nah-/ Fernwärmenetz den Gewerbeflächen im Quartier zur Verfügung gestellt (meist nicht in ausreichender Form vorhanden) oder in ein Fernwärmenetz eingespeist werden kann. Die interessanteste Variante stellt jedoch eine kombinierte Nutzung der verfügbaren Dachflächen für Solarthermie und PV dar. Es zeigte sich, dass mit derartig optimierten Lösungen Wärme- und Stromgestehungskosten unter den üblichen Strom- und Wärmebezugskosten erzielbar sind.

Gestehungskosten für kombinierte Variante der drei Quartierstypen. Quelle: Grazer Energieagentur

Ein „Baukasten“ zur Ermittlung passender Geschäftsmodelle

Da Hausverwaltungen im Zuge qualitativer Interviews mit ExpertInnen als relevante Stakeholder für die Umsetzung von Solarenergieprojekten in Mehrfamilienhäusern identifiziert wurden, wurde eine explorative Fragebogenerhebung unter österreichischen Hausverwaltungen durchgeführt. Neben Fragen zu umgesetzten und intendierten Projekten, Hemmnissen und Motiven wurde, basierend auf der Literatur zu Produkt-Service-Systemen (PSS) in der Umfrage eruiert, ob Hausverwaltungen Eigen- oder Fremdabwicklung bei der Solarenergieprojektumsetzung präferieren. (Eigenabwicklung: Hausverwaltung ist für die Umsetzung des Projektes – inkl. Finanzierung, Errichtung und Wartung der Anlage im Namen und auf Rechnung der EigentümerInnen zuständig; EigentümerInnen besitzen die Anlage; Fremdabwicklung: Contracting-Firma ist für die Umsetzung zuständig; EigentümerInnen beziehen Energie). Vermutlich haben sich bisher nur vereinzelt Hausverwaltungen damit auseinandergesetzt; dafür sprechen der geringe Rücklauf und die geringe Anzahl an realisierten Projekten. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Hausverwaltungen Fremdabwicklung präferieren.
Um zu eruieren, welche Geschäftsmodelle für die jeweiligen Quartierstypen in Frage kommen, wurden die technologischen und rechtlichen Aspekte durch weitere Ergebnisse der Befragung unter Berücksichtigung der Produkt-Service-System-Literatur ergänzt (siehe Grafik).

“Baukasten“ zur Ermittlung passender Geschäftsmodelle. Quelle: Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung Universität Graz

Für jede dieser fünf Dimensionen wurden Bausteine identifiziert und beschrieben,  welche operative Charakteristika eines Geschäftsmodells wiederspiegeln und dadurch eher produkt-, nutzen, oder ergebnisorientierte Umsetzungskonzepte darstellen. Diese werden im Endbericht detailliert beschrieben.

Ausblick

Wie sich im Laufe des Projektes herausstellte, sind Solarenergieprojekte mit zunehmender Anzahl an Stakeholdern schwerer zu realisieren, wodurch Hausverwaltungen eine Rolle des Vermittlers zukommt. Ein verstärktes  Interesse von Hausverwaltungen und anderen Stakeholdern für die Umsetzung von Solarenergieprojekten und dem Angebot an Geschäftsmodellen ist Voraussetzung für eine steigende Bedeutung von Solartechnologien im urbanen Raum. In der derzeitigen Marktsituation stellen Solarenergieprojekte für diese Zielgruppe kaum eine attraktive Geschäftsidee dar. Daher besteht diesbezüglich Handlungsbedarf im Bereich Bewusstseinsbildung, Marketing und Bereitstellung von Informationen. Im juristischen Bereich ist auf Grund einer geplanten Novelle zum Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz bald mit Erleichterungen zu rechnen, im Bereich des Mietrechts und des Ortsbildschutzes wird freilich weiterhin eine genaue rechtliche Prüfung vor Verwirklichung eines Projekts erforderlich sein.

Weiterführende Informationen

www.grazer-ea.at/cms/forschung-und-wissenstransfer/ursolar/content.html

Personen

Mag.rer.soc.oec Stefanie Hatzl ist Projektmitarbeiterin am Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung der Universität Graz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

DI Ernst Meißner ist Projektmitarbeiter bei der Grazer Energieagentur. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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